Dunkle Sehnsucht
mir das Lachen verkneifen. »Äh, eigentlich wollten wir euch nur sagen, wohin wir wollen und warum. Bloß für den Fall, dass wir nicht wieder auftauchen, ihr wisst schon.«
Das Letzte sagte ich scherzhaft, meinte es aber im Grunde bitterernst. Marie Laveau garantierte einem normalerweise freies Geleit, wenn man sich mit ihr traf, da sie aber die Ghul-Königin von New Orleans war und wir uns im Clinch mit Apollyon befanden, sah im Augenblick alles etwas anders aus. Womöglich hielt sie es im Interesse ihrer Art für angebracht, dieses eine Mal nicht zu ihrem Wort zu stehen und unseren Trip nach New Orleans für uns zu einer Reise ohne Wiederkehr werden zu lassen.
»Wir begleiten euch«, meinte Mencheres.
»Nein«, entgegnete Bones sanft. »Ihr bleibt hier und schützt unsere Sippe, falls etwas passiert. Dann sind wenigstens unsere Leute in Sicherheit.«
Ein kaum sichtbares Lächeln geisterte über Mencheres'
Lippen. Bones hatte ihn gerade mit demselben Argument schachmatt gesetzt, das der ägyptische Vampir vor zwei Monaten selbst benutzt hatte, um Bones' Hilfe in einer gefährlichen Situation abzulehnen.
»Also schön«, sagte er. »Ich bleibe. Vielleicht kann Spade an meiner Stelle mit euch kommen.«
»Da gibt es ein Problem«, stellte ich fest. »Erstens wird Spade nicht wollen, dass Denise mitkommt, falls es brenz-lig wird, und das wird es. Und zweitens wird Denise einen Teufel tun und daheim zurückbleiben. Und wenn Apollyon herausfindet, dass Denise zur Gestaltwandlerin geworden ist, hat er erst recht Grund auszuflippen.«
Ich ließ unerwähnt, dass Denises Überlebenschancen noch geringer sein würden als meine, falls jemand herausbekam, dass in ihren Adern dämonisch verändertes Blut floss. Mencheres war ja bereits im Bilde, und Kira hielt ich durchaus für vertrauenswürdig, aber ich konnte schließlich nicht wissen, wie viele untote Lauscher abgesehen von Gorgon noch in diesem Haus waren.
»Wie wäre es mit Vlad?«, fragte Kira. »Er ist tough und furchterregend.«
»Nicht den Zirkusgaul«, knurrte Bones, während ich sagte: »Gute Idee.«
Bones wandte sich mit hochgezogenen Augenbrauen mir zu. Ich räusperte mich und wand mich ein wenig unter dem stechenden Blick seiner braunen Augen.
»Es stimmt doch«, meinte ich und setzte mich ein bisschen gerader hin. »Auch wenn du ihn nicht ausstehen kannst, wäre er trotzdem unsere beste Chance. Er würde ja vielleicht ablehnen, wenn nur du in die Sache verwickelt wärst, aber er lässt sich bestimmt darauf ein, wenn er erfährt, dass ich dabei sein werde.«
Bones' Lippen verzogen sich auf eine Art und Weise, die mir sagte, dass meine Argumente nicht gerade die glücklichsten gewesen waren. »Weil wir Freunde sind«, fügte ich schnell hinzu. »Vlad legt Wert darauf, immer für seine Freunde da zu sein.«
»Ich zweifle ja auch gar nicht an Tepeschs gutem Geschmack, wenn er dich als seine Freundin betrachtet. Nur an deinem, wenn du es mit ihm genauso hältst«, murrte Bones.
Ich konnte mir ein heimliches Grinsen nicht verkneifen.
»Vielleicht erinnert er mich ja an jemanden, den ich liebe.«
Bones schnaubte verächtlich, aber aus dem Augenwinkel sah ich etwas, das er nicht mitbekam: Mencheres zwinkerte mir zu. Ich war so verdutzt, dass ich den Kopf herumriss und ihn anstarrte, aber das Gesicht des Vampirs war schon wieder glatt und undurchsichtig wie ein Teich um Mitternacht.
»Tepesch muss uns nicht begleiten«, meinte Bones schließlich. »Sein Erscheinen könnte von Marie als Bedrohung aufgefasst werden, weil sie sehr genau weiß, dass er und ich uns nicht ausstehen können. Er könnte allerdings in einer Stadt in der Nähe absteigen, um uns zu helfen, falls es nötig ist.«
Vlad konnte schließlich fliegen, und wenn er nicht nahe genug war, waren wir ohnehin angeschmiert. Aber das sagte ich nicht laut. Alle hier wussten es.
Das Ritz Carlton lag ganz am Rande des French Quarters in der Canal Street. Mit seinen weißen Stuckverzierungen und den steinernen Wasserspeiern in Form von Löwenköpfen war es eine wundervolle Verbindung aus moderner Ar-chitektur und historischem Südstaaten-Einfluss. Bei der An-meldung war das Personal zuvorkommend bis zur Unterwürfigkeit, sodass ich den Leutchen am liebsten gesagt hätte, sie sollten sich entspannen; so schwer war ich nun wirklich nicht zufriedenzustellen. Nur als ich bei Vlad gewohnt hatte, war ich bisher so vollgeschleimt worden, und das Management hier hatte nicht den Ruf, die
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