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Dunkle Spiegel

Dunkle Spiegel

Titel: Dunkle Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Rucket
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und furchtbar ungerecht das war!
    Ramirez schritt an der anderen Wand entlang. Wir ließen uns viel Zeit. Jeder nahm so viele Eindrücke wie möglich in sich auf. Ich sah diesen besonderen Ausdruck auf seinem Gesicht.
    Dachte er gerade wieder an seine Tochter?
    Ich wusste, dass mein starker Freund weich wurde, wann immer das Gespräch auf seine Familie, und besonders auf seine Kinder, kam. Seine Tochter Samantha hatte ihm einen Milchzahn in ein Fimo-Medaillon gedrückt, das gerade so groß wie ein kleines Geldstück war. Seitdem trug Ramirez es immer bei sich. Und ich war mir fast sicher, dass er es gerade fest in seiner Hosentasche umschlossen hielt, in die er seine Hand vergraben hatte. Ein Gefühl von Wärme durchfloss mich von Kopf bis Fuß.
    “Was meinst du?” fragte ich leise, als ich neben ihn trat.
    Er betrachtete gerade eingehend ein paar kleine Keilrahmen, die kreuz und quer an der Wand aufgehängt waren. Sie zeigten wilde Farbmuster, die in sich aber doch immer wieder eine gewisse Richtung ergaben. Sie zeigten alle nach innen, zum Mittelpunkt des Bildes. Und je unruhiger sich der Pinsel und das Geflacker der Farben auf den äußersten Rändern auch zeigten, umso mehr konzentrierte sich alles auf ein ruhiges Zentrum.
    “Sie war eine kleine Künstlerin. Diese Bilder zeigen viel Gefühl und sehr kontrastreich. Einerseits ein Spiegelbild für ein inneres Gefühlschaos und gleichzeitig der Wunsch nach Klärung. Der Wunsch nach Verständnis, aber auch dieses Loslassen von Regeln. Sie zeigen Energie und Spontanität. Ihr Pinsel schien nur ihrem eigenen Impuls zu folgen. Und wenn diese Bilder für ihr Inneres stehen, dann wünschte sie sich einen ruhigen, beschützten Punkt, in dem sich alle Chaoslinien des Alltags und des Lebens in klare Bahnen lenken und darin münden.” Vorsichtig verfolgte er mit der Fingerspitze das Relief der Pinselstriche bis zur Mitte.
    Ich war schwer beeindruckt. Ich wusste genau, was er meinte.
    Ramirez trat entschlossen einen Schritt zurück, atmete tief durch und sah mich schließlich durchdringend an. “Lass uns die Sache zu Ende bringen!” knurrte er entschlossen.

*** 43 ***
    Wir gingen durch den Rundbogen zurück in den Flur. Auf der gegenüber liegenden Seite lagen zwei Türen. Eine davon führte ins Badezimmer. Ich steckte kurz den Kopf durch die offene Tür. Ein junger Techniker kniete gerade auf dem Boden und suchte in dem fensterlosen Raum mit einer kleinen Taschenlampe die braunen Fliesen ab. Er war so vertieft, dass er mich überhaupt nicht bemerkte.
    Ich ließ meinen Blick kurz umherschweifen, entdeckte aber kein einziges gelbes Schildchen der Spurensicherung. Also war in diesem Raum kein Verbrechen geschehen.
    Dann schloss ich halb meine Augen, machte einen Schritt und stellte mich in den Türrahmen des daneben gelegenen Zimmers. Erst dort gab ich meinen Blick langsam wieder frei.
    Ich stand im Zugang zu einem kleineren Raum, in dem das Futonbett den größten Platz einnahm. Zwei aufgefaltete, dunkelrote Fächer an der Wand mit goldfarbenen Ornamenten erinnerten an asiatische Dekoration. Genauso auch die Bettwäsche, die mit asiatischen Schriftzeichen verziert war.
    Und dort lag sie!
    Ich drehte rasch den Kopf weg. Nein, noch wollte ich sie mir nicht ansehen. Zuerst wollte ich wissen, wer sie war, bevor ich mir vor Augen führte, was aus ihr geworden war.
    An der gegenüberliegenden Wand stand ein schmaler Kleiderschrank. Zweitürig. Kein Glas. Ich entdeckte keinen großen Spiegel oder Schminktisch. Langsam trat ich ein.
    Gegenüber dem Bett befand sich, halb von der Tür verborgen, das Fenster. Der Rollladen war geschlossen und ließ die Fächer an der Wand im Halbdunkel blutig leuchten.
    Ein halbdunkler Raum.
    Wie beim letzten Mal, nicht wahr?
    Neben dem Bett stand ein kleiner, einfacher Beistelltisch, aus dem ein Mann der Spurensicherung gerade verschiedene Gegenstände herausnahm und sie katalogisierte. Er blickte sich kurz um und sofort erkannte ich diese Betroffenheit in seinen Augen.
    Ich war wohl nicht der einzige, dem diese Mordserie so unter die Haut ging!
    “Die unterste Schublade war aufgerissen vorgefunden worden. Es lag Sexspielzeug drin: zwei Gleitcremes, ein Vibrator und ein Paar massive Handschellen. In der anderen Schublade fanden wir dann auch noch Frauenzeitschriften, Tampons, Taschentücher und Naschzeug.”
    “Und welchen Schluss ziehen Sie daraus?” fragte ich mit einem Stirnrunzeln.
    “Schlüsse? Nein. Ich ziehe keine Schlüsse. Dafür

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