Dunkle Spiegel
bewerkstelligen sollte!”
“Tja, er scheint alles ganz genau geplant zu haben. Die einzige, die uns etwas Wichtiges über ihn hätte erzählen können, war seine Frau. Er hat sie getötet, weil sie eines seiner Gesichter und seine Gewohnheiten kannte. Sie war zu einem Risiko für ihn geworden, ganz klar. Und wer weiß? Vielleicht ist er so clever, dass er sogar für diese technische Schwierigkeit bei Gamble & Co verantwortlich ist, um uns noch ein wenig hinzuhalten. Ganz ehrlich, nach dem, was ich da unten gesehen habe, traue ich diesem Kerl vieles zu!”
Ich schüttelte den Kopf. “Sind wir denn jetzt genauso weit wie vorher?” fragte ich missmutig.
“Nein,” meinte Ramirez sarkastisch,” wir haben jetzt eine Leiche mehr als vorher!”
“Sollte das jetzt witzig sein?” erwiderte ich in schärferem Ton, als ich es beabsichtigt hatte. Ich bereute die Bemerkung sofort. Ich kannte ja meinen Freund gut genug um zu wissen, wie er das gemeint hatte. Und Sarkasmus schien eine der wenigen Dinge zu sein, die uns noch geblieben waren. Ich spürte schon wieder diese Wut in mir aufsteigen, die sich wie eine heiße Glut in mir ausbreitete.
“Wir haben noch einen Trumpf.” sagte Ramirez leise.
Ich warf ihm einen fragenden Blick zu.
“Den Kopfgeldjäger!” Nicht der Anflug eines Lächelns umspielte seine Lippen. Dunkel ruhten seine Augen auf mir. Er meinte das ernst! Todernst!
Ich lehnte mich zurück und schloss die Augen. Und ertappte mich bei einem für mich gänzlich untypischen Gedanken.
Der Kopfgeldjäger … warum eigentlich nicht?
Dieser Schweinehund hatte es mehr als verdient!
*** 68 ***
Schier endlos schlängelte sich die Straße vor seiner Windschutzscheibe dahin. Die Sonne stand schon knapp über den Baumkronen und leuchtete satt orangefarben mal von der einen, mal von der anderen Seite, mal frontal in den Innenraum seines Wagens. Seines Wagens?
Nein, da musste er sich kurzerhand selbst korrigieren. Ihm hatte zwar dieser kleine, schnittige Sportwagen eines japanischen Herstellers mit der langen, platt gedrückten Nase schon immer gut gefallen, aber irgendwie war die Wahl dann immer doch auf eine praktische, vielseitig einsetzbare und vor allem unauffällige Familienlimousine gefallen. Doch als er diesen Flitzer nun am Straßenrand hatte stehen sehen, da hatte er der Versuchung einfach nicht widerstehen können.
Zufrieden fiel sein Blick auf die Nadel des Tanks. Nur minimal unter randvoll. Ausgezeichnet. Ruhig steuerte er das Auto durch die immer stiller werdenden Straßen der Vororte. Wohin?
Diese Frage hatte sich in sein Hirn eingebrannt wie ein glühender Zigarettenstummel. Ab sofort hatte er kein Haus mehr. Und auch keine zweite Identität, hinter der er sich verstecken konnte. Aber wollte er das überhaupt?
Nein, eigentlich willst du das nicht! durchfuhr es ihn.
Die Spielregeln hatten sich eben geändert. Oder war es sogar noch mehr als das? War es nicht vielmehr so, dass das alte Spiel beendet und ein völlig neues Spiel begonnen hatte? Nein, so ganz stimmte das auch wieder nicht! Das alte Spiel war nur unterbrochen worden. Das imaginäre Spielbrett lag sozusagen gut versteckt und verborgen, alle Spielzüge und Vorbereitungen waren praktisch nur eingefroren worden - jederzeit bereit, wieder aufgenommen und fortgeführt zu werden! Er hatte im Augenblick nur ein neues Spiel angefangen. Ein interessantes, wenn auch lange nicht so erregendes Spiel, wie das alte zuvor.
Wie sollte er es nennen? Hatte er denn dem bisherigen Spiel einen Namen gegeben? Nein. Fast schon mit Bedauern stellte er fest, dass er das völlig vergessen hatte. Es war einfach sein Spiel gewesen, nicht mehr, aber auch um nichts in der Welt weniger.
Und jetzt war er herausgefordert worden!
Es war fast wie ein Schachspiel. Nur, dass seine Gegner ihre Figuren schon in strategisch wichtige Positionen gebracht hatten. Er konnte jetzt nur noch reagieren, was er bis jetzt auch mit Bravour getan hatte. Innerlich klopfte er sich anerkennend auf die linke Schulter. Sein Blick fiel auf den Rückspiegel. Verquollene, gerötete Augen. Er richtete seinen Blick wieder starr geradeaus.
Mit Bravour, ja, aber nicht ohne Schmerzen, verdammt!
Sie hatten ihm einen schweren Hieb verpasst! Sie hatten ihn zu einer Tat gezwungen, die sich hätte vielleicht vermeiden lassen. Vielleicht wäre es nie dazu gekommen. Er hätte bestimmt nie soweit gehen müssen - doch sie hatten es ihm aufgezwungen.
Meine arme Kleine …
Seine Hände verkrampften
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