Dunkle Spiegel
Gitterhalterung verlegt.
Was sollte er tun? Den Sicherheitsdienst rufen? Das könnte er, sicher. Wenn es sich um einen Eindringling handeln würde, wäre das sicher das Beste.
Aber was, wenn es nur eine Maus war? Oder eine Katze? Mr. Cringels war kein Sicherheitsbeamter der besonders angenehmen Sorte. Nicht gerade freundlich und noch dazu meistens übel gelaunt. Ewig würde er ihn damit aufziehen. Und bei jedem von Eddys künftigen Anrufen würde Cringels sicher als erstes fragen, ob sich denn wieder eine Katze im Heizungskeller verirrt hätte. Der würde das mit Sicherheit verdammt witzig finden und sich jedes Mal halb tot lachen.
Nein, das wäre ihm dann doch zu unangenehm. Und eigentlich … hatte er ja überhaupt nichts gehört, versuchte er sich selbst zu beschwichtigen. Er lauschte noch einmal.
Nichts.
Soll doch der Teufel die verdammte Katze - oder Maus oder Ratte - holen, ihm war das jetzt egal!
Er wandte sich um, während er in seiner Tasche nach einem Kaugummi kramte, als ihm der Schrecken tüchtig in die Glieder fuhr. Für einen Augenblick war er völlig starr. Dann glaubte er etwas zu erkennen.
“Mein Gott, hast du mich erschreckt.” rief er laut und kniff die Augen zusammen, um seinen Gegenüber zu mustern, obwohl er in dem schwachen Licht so gut wie nichts erkennen konnte. Aber die Körperumrisse und die Frisur kamen ihm entfernt bekannt vor.
“Was machst du denn hier? Mensch, du hast mich fast zu Tode erschreckt! Warum lungerst du denn hier unten rum?”
Sein Gegenüber schwieg, fixierte ihn aber mit funkelnden Augen.
“Und wie siehst du denn aus? Deine Klamotten … hast du hier unten etwa geschlafen? - Mensch, du weißt doch genau, dass das Stunk gibt!”
“Du hast mich einfach nicht gesehen, ok?” zischte es aus dem Halbdunkel.
“Was heißt: nicht gesehen? Du weißt ganz genau, dass ich das melden muss. Weder unser Bereich noch diese Keller können einfach als Hotel benutzt werden. Wir haben uns hier unten nicht aufzuhalten. Und wie zum Teufel kommst du auf die bescheuerte Idee, hier unten zu pennen? Was ist eigentlich mit deiner Frau? Weiß die, was du so in deiner Freizeit treibst? Jetzt komm erst mal mit nach oben, Richard.” Alex nahm ihn am Arm, nicht zu fest aber dennoch bestimmt. Doch dieser riss sich mit einem kräftigen Ruck los.
“Was hast du denn?” fragte er verblüfft ins Halbdunkel, wo er seinen Arbeitskollegen vermutete. “Jetzt komm mit! Ich muss das melden, du weißt das! Hey Mann, bring mich nicht in Schwierigkeiten!” sagte er mit etwas erhobener, leicht drohender Stimme. Er verstand dieses Theater immer noch nicht. Und er war sich auch nicht mehr sicher, ob der Mann wirklich der war, für den er ihn hielt.
Aber warum sollte sich Richard so merkwürdig verhalten…?
“Tut mir leid!” presste der Mann zwischen den Zähnen hervor, der es stets vermied, auch nur annähernd von dem schummrigen Licht erfasst zu werden. Sein Gesicht blieb von dunklen Schatten umhüllt. Die Stimme klang leicht zittrig, wie unter großer Anstrengung, und doch gleichzeitig wieder gefasst und rau.
“Es tut dir leid? - Das sollte es auch!” Froh über die anscheinende Einsicht seines Arbeitskollegen wandte er ihm den Rücken zu und tat den ersten Schritt zurück zur Treppe. “Komm schon, wird schon nicht …”
Doch da traf ihn auch schon von hinten ein schwerer Gegenstand am Kopf und er versank im Dunkeln, noch bevor er einen Laut von sich geben konnte.
*** 73 ***
Alles ergab plötzlich einen Sinn! Karl Gumbler hatte tatsächlich ein kleines Kunststück für den Fall vorbereitet, dass er entdeckt werden würde. In der Firma ChipsEnterprises war er unter dem Namen Richard Maytown bekannt und als Techniker in der Abteilung für die Behebung und Wartung der Computeranlagen der Firma tätig. In allen öffentlichen Verzeichnissen und Registrierungen hatte er seinen Namen durch diese zweite Identität ausgetauscht. Die Post, wie zum Beispiel die Gehaltsschecks der Firma, ging an ein Postfach. Sogar sein Gehalt kam auf ein separates Konto, dessen Inhaber Richard Maytown war. Die Fahndung nach Karl Gumbler war nicht zuletzt deshalb erfolglos geblieben, weil Karl Gumbler kaum am öffentlichen Leben teilgenommen hatte; so gab es keine Vereinsmitgliedschaften, keinen Videotheken- oder Büchereiausweise. Mit den Nachbarn hatte man so gut wie keinen Kontakt, womit neugierige Fragen über Beruf und Privatleben geschickt umgangen werden konnten. Und sollte sich doch jemand über einen
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