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Dunkle Spiegel

Dunkle Spiegel

Titel: Dunkle Spiegel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Rucket
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genau meinten Sie mit Ihren Worten `direkt und persönlich`?”
    Jetzt streckte sich der Oberkörper des jungen Mannes. Er stellte die Beine auseinander und sah mich fest an, die Hände zu Fäusten geballt und aneinander reibend. Ich spürte, wie sich deutlich eine Emotion in ihm aufbaute, die er nur schwer kontrollieren konnte.
    “Könnten Sie mir jetzt endlich sagen, was das alles hier soll? Ist etwas mit Adriana?” fragte er plötzlich aufbrausend.
    Ich zögerte kurz, jedoch ohne eine Regung nach außen zu zeigen. Seine nächste Reaktion würde entweder jeden Verdacht entkräften, oder eine intuitive Vermutung bestätigen. “Mrs. Lion wurde ermordet. Wir fanden diese Karte in ihrer Wohnung. Wo waren Sie in der Nacht von Samstag auf Sonntag, Mr. McLucky?”
    Sein Mund öffnete sich langsam und verharrte Und selbst seine Augen waren offenbar nicht mehr in der Lage zu blinzeln. Doch dann schien er wie aus einer Art Starre zu erwachen, ließ sich hart gegen die Rückenlehne der Couch fallen und legte die Hände aufs Gesicht. Er atmete mehrmals tief ein. Ich sah seine Halsschlagader, wie sie geschwollen wild pochte. Nach ein paar Minuten verlangsamte sich seine Atmung. Er nahm die Hände aus dem Gesicht. Es war feuerrot. Seine Augen hatten einen glasigen Blick. Er sah zur Decke.
    “Oh nein.” flüsterte er. Wieder und wieder sagte er diese Worte leise. Erst nach ein paar Minuten richtete er seinen Blick auf den großen Bildschirm seines Fernsehers, aber er sah keinen von uns beiden direkt an.
    “Ich glaube … ich habe sie mehr gemocht, als ich mir selbst eingestehen konnte und wollte. Hätte ich es ihr doch bloß gesagt! Und wissen Sie, warum ich es nicht getan habe? Wissen Sie warum? Weil ich ein elender Feigling bin. Hätte ich es ihr doch bloß gesagt.” Er begann zu schluchzen.
    Ricardo sah zu mir herüber. Unmerklich schüttelten wir schwach den Kopf. Wir waren uns einig.
    “Wo waren Sie in der Nacht von Samstag auf Sonntag?” wiederholte ich leise meine Frage. Ich setzte mich ihm gegenüber in einen Sessel. Ramirez blieb unbeweglich stehen.
    “Ich war … ich war … hier. Ich hab mit meinen Kumpels ein paar Horrorstreifen geguckt. So bis drei Uhr etwa. Wir hatten was getrunken. Bier und Desperados. Uns war danach tierisch schlecht …” Er schnaubte und schluchzte abwechselnd bei dem Gedanken daran.
    “Was meinten Sie mit `direkt und persönlich`?” fragte Ramirez von der Tür her.
    McLucky holte tief Luft, bevor er antwortete.
    “Na ja … ich hab sie noch einmal gesprochen … sozusagen.”
    “Sie haben miteinander telefoniert?”
    “Nein. Wir haben nie miteinander telefoniert. Wir haben uns anders ausgelassen.”
    Ich sah ihn fragend an.
    “Im Chat. Wir haben gechattet!” stieß er darauf genervt hervor und Speichel landete auf der Pizzaschachtel.
    Ramirez und ich sahen uns kurz stumm an. “Könnten Sie das etwas weiter spezifizieren?”
    “Wir haben halt gechattet. Erst über ganz banale Sachen. Smalltalk und sowas.” erzählte er stockend. “Und dann … ging sie weiter. Sie erzählte mir von bestimmten Chats, in denen sie gerne war. Sie wollte mich überreden, sich gewissermaßen mit ihr dort zu treffen.” Er hielt inne. “Einmal habe ich das dann auch gemacht. Aber … Scheiße … ich hätte ja nicht an sowas gedacht! Wäre mir nicht im Traum eingefallen! Aber sie … sie hatte ja ganz offensichtlich Spaß daran, wie ich feststellen musste.”
    “An was? An welchen Sachen hatte sie besonderen Spaß?” Langsam wurde ich innerlich etwas unruhig. Ich spürte, dass wir uns einem wichtigen Punktnäherten. Einem Detail aus Adriana Lions Leben, das wir bisher nicht kannten. Das vielleicht so gut wie niemand kannte.
    Oliver McLucky machte eine größere Pause, knabberte wieder an seiner Unterlippe und sah unter sich auf die hölzerne Tischplatte. Dann lehnte er sich wieder zurück, sah zuerst zur Decke, dann mir direkt ins Gesicht. “Sie wollen´s wirklich wissen, was? Sexchats ! Harte, versaute Sexchats! Richtige Orgien im Internet!”
    Auch ich lehnte mich im Sessel zurück. Vor meinen Augen tauchte das Bild von Adriana Lion auf. Nackt. Gefesselt. Vermutlich zu Dingen gezwungen, die sie nicht wollte. Es hat den Anschein, dass sie zu einem bestimmten Zeitpunkt mitgemacht haben musste - und sich dann erst gewehrt hatte, gingen mir die Worte des Gerichtsmediziners durch den Kopf.
    Die Knoten. Die Seidentücher.
    Kein normaler Mord. Keine normale Vergewaltigung.
    Kein normales Opfer!

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