Dunkle Spiegel
vermuten, dass sie gebadet hat, bevor sie mit dem Chatten begann. Aufmerksam wurden wir nämlich, weil auf der Tastatur noch Rückstände von Badeschaum zu finden waren, der identisch mit den Rückständen im Badezimmer war.” Bei diesen Worten lenkte er seinen Blick anerkennend in Chaplers Richtung, der darauf ein stolzes Lächeln zu unterdrücken und weiter ein ernstes Gesicht zu machen versuchte. “Es ist nun natürlich nicht nachzuvollziehen, ob sie es selbst war oder der Täter sie vielleicht im Zuge von Gewaltandrohung zum Baden gezwungen hat. Darüber kann man leider nur spekulieren.”
“Vielleicht könnte es beim Täter eine sexuelle Erregung ausgelöst haben. Er konnte ihr seine Macht beweisen. Oder, wenn unsere Theorie stimmen sollte, könnten sie auch gemeinsam gebadet haben, bevor die Situation eskalierte.” meinte ich nachdenklich.
Der Chief nickte nur. Sein Blick war angestrengt auf einen Kugelschreiber gerichtet, der vor ihm auf dem Tisch lag. “Keine Spuren von gewaltsamen Eindringen. Und keine Kampfspuren. Sie könnte ihn eingeladen haben, sie haben etwas geplaudert, vielleicht miteinander gebadet, er fesselt sie im Spiel, sie haben Geschlechtsverkehr - dann überschreitet er die Grenze, knotet ihr ein Tuch um den Hals, mit dem sie sich dann durch Befreiungsversuche selbst erdrosselte.”
Er ließ eine kleine Pause eintreten und sah uns der Reihe nach kurz an. Schließlich fuhr er fort: “Im Autopsiebericht steht, dass sich Prellungen und kleine Schnittwunden an ihrem Körper befunden haben, jedoch keine der sonst üblichen Vergewaltigungsverletzungen. Daraus schließen die Spezialisten, dass der Geschlechtsverkehr wohl in beiderseitigem Einverständnis stattgefunden haben könnte. Aber dennoch hat sie sich ab einem gewissen Zeitpunkt gewehrt, wobei sie sich Abschürfungen, blaue Flecken und diese Schnitte zugezogen hat.”
“Wobei auch diese Verletzung mit dem kleinen Messer zu ihrem Spiel gehört haben könnten.” bemerkte ich. “Es waren nur kleine Wunden, die kaum geblutet haben. Und nachdem ich gesehen habe, mit welchen Dingen man sich auf diesen merkwürdigen Chatseiten so befasst hat, erscheint mir dieser Gedanke gar nicht mehr so abwegig.”
“Natürlich, auch das könnte möglich sein.” stimmte mir Chief Whealer zu, wenn auch nicht ganz ernsthaft, wie ich feststellen musste. “In ihrer Mundhöhle wurde ein Stück Leder gefunden. Es stammt von einem Handschuh, wie sie auch beim Reiten verwendet werden. Sie wissen schon, so ein Lederhandschuh mit Noppen auf der Handinnenfläche. Noch können wir mit dieser Information nur wenig anfangen, denn es handelt sich um ein Leder, aus dem hunderte verschiedener Handschuhe gefertigt werden. Das Stück stammt von einer Fingerkuppe des Handschuhs. Unsere Spezialisten haben mithilfe einer uns vorliegender Berechnungsmatrix eine Blindkalkulation durchgeführt. Wenn man voraussetzt, dass der Täter sich nicht absichtlich etwas kleinereHandschuhe angezogen hat, um uns in die Irre zu führen - was durchaus möglich wäre -, so handelt es sich um einen eher unterdurchschnittlich großen Mann. Auf keinen Fall größer als etwa ein Meter siebzig.” Wieder ließ er eine Pause eintreten. “Damit können wir natürlich verdammt viel anfangen!” meinte er mit einem höchst ironischen Unterton.
“Er löscht am Computer alle Daten. Alles, woraus wir auf ihn eventuell Rückschlüsse ziehen könnte, etwas über erfahren könnten. Und er löscht das Verzeichnis über die besuchten Seiten. Das bedeutet, dass er auf diesem Gebiet Kenntnisse besitzt.” sagte Chapler.
Der Chief nickte und blätterte weiter in dem Bericht. “Laut Spurensicherung hat er offensichtlich versucht, die Tastatur zu reinigen. Er will also keine Fingerabdrücke hinterlassen.”
“Alles zusammen, auch unter Berücksichtigung des Todeszeitpunkts, lässt die Vermutung zu, dass sich der Täter Zeit ließ, keine Eile hatte, sehr geplant und auch organisiert vorging.” fügte Ramirez hinzu. “Und damit könnte man auch zu dem Schluss kommen, dass es sich bei diesem Mord um den gleichen Täter wie in unserer aktuellen Mordserie handeln könnte.”
“Was noch zu beweisen wäre.” entgegnete Chief Whealer etwas schroff. Aber er hatte recht. Es war nur eine wage Vermutung, nicht mehr.
“Und genau dazu müssen wir uns noch einmal mit den Eltern und Freunden der Opfer in Verbindung setzen.” sagte ich eindringlich. “Wir müssen auf ihren Computern nach Spuren oder
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