Dunkle Symphonie der Liebe
keine
Sekunde. In ihrem Inneren brannte es wie Feuer, und am liebsten hätte sie laut
geschrien und nie wieder damit aufgehört. Sie wünschte, der Wind würde das
Entsetzen und die Angst, die sie nur mühsam unterdrückte, mitnehmen und weit
auf die See hinaustragen. Nie wieder wollte sie sich so verängstigt fühlen, so
leer und allein. Sie beugte sich vor und schirmte Byrons Gesicht vor dem Regen
ab. Byron!
Byron, mach die Augen auf! Ihre Hand zitterte, als sie ihm zärtlich das Haar aus
der Stirn strich. Lass mich nicht allein, nachdem ich dich eben erst
gefunden habe. Wach auf, bevor ich mich wie ein Schwächling aufführe und zu
weinen und zu schreien und zu wimmern anfange. Ich habe wirklich Angst, und ich
brauche dich.
Byron nahm viele Stimmen wahr.
Zuerst konnte er sie nicht einordnen. Ein Gesang in der alten Sprache seines
Volks war zu hören. Antonietta, die ihn leidenschaftlich zu sich zurückrief.
Jemand schrie seinen Namen. Er erkannte die Stimme seiner Schwester Eleanor.
Sie klang, als wäre sie in seiner Nähe, dabei wusste er doch, dass sie weit weg
war. Eine Männerstimme rief nach ihm, ruhig, aber gebieterisch. Jacques'
Stimme. Byron war überzeugt, dass er halluzinierte. Er hatte seit Jahren nicht
mehr mit Jacques gesprochen. »Vielleicht sterbe ich tatsächlich.« Er sprach die
Worte laut aus, um seine Stimme zu testen.
»Nein, du wirst nicht sterben!
Ich lasse es nicht zu«, gab Antonietta fest zurück. Ihre Erleichterung war so
groß, dass ihr schlecht wurde.
Ein jäher Schmerz durchzuckte
ihn und, noch bevor er sich dessen bewusst war, auch Antonietta, sodass sie
nach Luft schnappte und sich an ihm festhielt. »Du brauchst dringend einen
Arzt. Du hast sehr viel Blut verloren, Byron. Ich konnte keinen Puls finden und
dachte, du wärst tot.«
»Nein, ich brauche keinen Arzt,
aber ich würde liebend gern deinen Cousin erwürgen. Wollte er dich töten oder
mich oder uns beide?« Byrons schwarze Augen richteten sich bereits auf Paul,
der neben Antonietta kniete. Paul, der sehr blass war, schüttelte den Kopf.
Byron bemerkte, dass Celt eine Angriffsposition eingenommen hatte. Der Hund war
äußerst wachsam und ließ Paul keine Sekunde aus den Augen. Byrons dunkler Blick
kehrte zu Antoniettas bleichem Gesicht zurück. Dunkle Schatten lagen unter
ihren Augen, und sie war über und über mit Blut beschmiert. Es dauerte einen
Moment, bis ihm klar wurde, dass es nicht alles sein Blut sein konnte.
»Antonietta, du bist verletzt!«
Trotz der Schwäche, die ihn übermannte, versuchte Byron, sich aufzurichten. Ihm
wurde schwarz vor Augen, und Blut quoll aus seinem Bauch. Seine Finger
ertasteten die Wunde in ihrer Schulter und verharrten dort.
Seltsamerweise ließ der Schmerz
unter seiner Berührung nach. Sie drückte ihn sanft auf den Boden zurück. »Es
ist nicht schlimm. Bleib ganz still liegen. Dein Freund Jacques hat mir gesagt,
dass deine Familie in der Nähe ist und bald hier sein wird.«
»Ich hatte keine Ahnung, dass
meine Leute hier in der Gegend sind. Geh ins Haus. Nimm Celt mit, und achte darauf,
dass er immer in deiner Nähe bleibt. Ich komme so bald wie möglich. Geh jetzt,
Antonietta, sonst erkältest du dich noch. Deine Schulter muss versorgt werden.«
»Ich lasse dich nicht allein.«
Byron bedeutete ihr mit einer
Handbewegung, nichts mehr zu sagen. Seine Reserven waren nahezu erschöpft, und
seine
Konzentration durfte durch
nichts gestört werden. Es regnete ohne Unterbrechung, und die Wellen schlugen
unablässig an den Strand. Paul kauerte wie gelähmt auf dem Boden, als wäre er
nicht nur außerstande, sich zu rühren, sondern als hätte er auch die Sprache
verloren. Celt stand neben ihm und fixierte ihn. Byron streckte eine Hand nach
Antonietta aus. Niemand sonst zählte. Nichts anderes zählte, nicht einmal sein
verletzter und stark geschwächter Körper. Er zog sie zu sich herunter und suchte
mit seinem Mund nach der Schussverletzung. Er hatte nicht die Energie, seinen
Körper zu verlassen und in ihren einzutreten, aber er ließ sich Zeit und
nutzte wertvolle Minuten, um ihre Schulter zu heilen.
Byron sank erschöpft zurück und
beobachtete wie aus weiter Ferne, wie das Blut in den Boden sickerte. Er hatte
Schmerzen, die mit jeder Bewegung schlimmer wurden, aber das zählte nicht, wenn
er sehen konnte, wie Antonietta sich allmählich aus seinem Bann löste und sich
viel leichter bewegte und wie die dünnen Fältchen, die der Schmerz in ihr
Gesicht gegraben hatte, sich
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