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Dunkle Tage, helles Leben - Best Love Rosie

Titel: Dunkle Tage, helles Leben - Best Love Rosie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nuala O'Faolain
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liebsten? Welche bedeutet dir am meisten, jetzt, in deinen goldenen Jahren?«
    Sie ließ sich tatsächlich ablenken.
    »Von wegen goldene Jahre!«, brummte sie. »Und sowieso – was ist denn heute anders, außer dass wir uns die Eintrittskarten leisten können?«
    »Na ja …«
    »Früher war es die Oper«, fuhr sie fort, und ein seliges Lächeln erschien auf ihrem Gesicht. Ich wusste, dass sie an ein Erlebnis mit Hugh Boody dachte.

    »Jetzt höre ich nie mehr so lange Sachen«, sagte sie, als sie merkte, dass sie ihren Satz nicht bis in die Gegenwart geführt hatte. »Ist das nicht schrecklich? Ehrlich gesagt – ich habe die meiste Zeit den Fernseher an. Hast du den Dokumentarfilm über diesen Maler gesehen, wie heißt er gleich, du weißt schon – dieser Maler, dessen Frau immer im Bad war?«
    »Meinst du Bonnard? Die Dokumentation habe ich aber nicht gesehen, ich sehe selten fern. Nur, wenn Krieg ist. Willst du einen Kaffee?«
    »Zurzeit ist Krieg. Sogar an mehreren Stellen. Nein danke, ich vertrage momentan nicht mal den koffeinfreien.«
    »Magst du Yeats?«
    »In der Schule habe ich ihn gemocht«, antwortete sie ernsthaft. »›Come away o human child.‹«
    »Ja, klar, ›The Stolen Child‹. Aber das ist der frühe Yeats«, sagte ich. »Bevor sich sein Genie richtig durchgesetzt hat. Da redet er noch von Elfen. Kann man das glauben? Elfen! Ein erwachsener Mann. Nebenan ist übrigens eine Yeats-Ausstellung, die können wir uns nach dem Mittagessen mal anschauen.«
    »Apropos erwachsene Männer«, sagte Tess. »Was ist eigentlich aus Doctor Death geworden?«
    »Liebe Tess – soll das etwa eine Anspielung auf meinen edlen Geliebten sein?«
    Tess war die Einzige, die Leo kennengelernt hatte. Am Anfang, im frühen Stadium der Besessenheit, hatte ich einen Urlaub im Club Med bei Ajaccio gebucht, weil ich wusste, dass Leo dort bei einer Konferenz war, und ich bat Tess, mit mir zu fahren, weil ich sowieso für ein Doppelzimmer zahlen musste. Ich erzählte ihr nichts von Leo. Es hätte ja auch passieren können, dass er gar nicht in Erscheinung trat. Aber er tauchte auf, und ich verbrachte die drei Tage, die er da war, entweder mit ihm im Bett oder stumm mit einer verärgerten Tess. Danach sah ich sie etwa sechs Monate lang nicht, aber ich wusste, was sie von Leo
hielt, weil sie ihn betont unerwähnt ließ. Als er einige Jahre später gleichzeitig mit mir in Dublin war, bot sie mir trotzdem an, ich könnte in dem soliden, bürgerlichen Backsteinhaus wohnen, das ihre verstorbenen Eltern ihr hinterlassen hatten. Ich wollte mit Leo wie ein verheiratetes Paar leben – zur Abwechslung mal nicht im Hotel. Min glaubte, ich würde einen Kurs besuchen, der etwas mit der Bibliothek zu tun hatte, wenn ich um Mitternacht nach Hause kam und mich morgens um acht wieder auf den Weg machte. Jedenfalls glaube ich, dass sie das dachte.
    »Ich muss dir mal was sagen«, sagte Tess. »Als ich mich wegen meiner Ausbildung zur Therapeutin entscheiden musste, war für mich ein ganz zentraler Punkt, dass ich rausfinden wollte, wie ich dir helfen kann, diesen komischen Kerl loszuwerden.«
    »Diesen komischen Kerl?«, murmelte ich, als hätte ich die Formulierung noch nie gehört. Gleichzeitig war ich irgendwie gerührt, dass sie sich Sorgen um mich gemacht hatte.
    »Ist ja auch egal«, fügte sie großherzig hinzu. »Irgendwann nehmen wir jeden – wir müssen nur verzweifelt genug sein.«
    »Die Sache mit Leo hat nichts mit Verzweiflung zu tun«, erwiderte ich eisig. »Er war genau der Mann, den ich wollte. Ich habe Mitleid mit jeder Frau, die nicht weiß, was ein Mann wie Leo ihr geben kann.«
    »Aber wo ist er jetzt?«, fragte Tess mit leisem Spott. Die Realität schien ihr recht zu geben.
    »In Italien«, antwortete ich beiläufig. »Er liebt Italien. Aber zu meinem Geburtstag kommt er hierher, hoffe ich.« Das war frei erfunden. »Du kommst doch auch zu meiner Party, oder? Am fünften September, dem Todestag von Flaubert?«
    Ich weiß nicht, warum mir diese Sache mit Flauberts Todestag in den Kopf kam, zumal ich nicht die geringste Ahnung hatte, wann er wirklich gestorben war.
    »Ach, ich wusste gar nicht, dass du noch mit ihm zusammen bist«, sagte Tess, für ihre Verhältnisse relativ zurückhaltend.

    »Sieh uns doch nur an«, sagte ich und stand auf. »Wir sind eine Schande für alle Frauen. Wir kommen wegen Yeats hierher, und nach ein paar Minuten reden wir über unsere Liebhaber.«
    Ich hatte zu laut gesprochen. Ein kleiner,

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