Dunkle Tage, helles Leben - Best Love Rosie
Kino umzuziehen, holte ich meinen Laptop. Dazusitzen und auf den Bildschirm zu starren, während ich auf seine Rückkehr wartete, schien ein kleines bisschen produktiver, als dazusitzen und nicht darauf zu starren. In der Küche war es zu heiß, aber ich wusste, wenn ich nach oben ging, würde ich mich aufs Bett legen. Nach einer Weile würde ich einschlafen, und danach käme das graue Erwachen. Dann fühlte ich mich hier im Haus immer so wie in den Tagen nach dem Tod meines Vaters. Es wunderte mich, dass dieses Verlassenheitsgefühl so tief in mir saß und nie ganz wegging, aber es meldete sich nur, wenn ich nach einem langen Mittagsschlaf aufwachte und es draußen schon langsam dunkel wurde.
Und offenbar war da noch etwas anderes in meinem Inneren begraben. Die Sehnsucht nach dem bewundernden Blick eines Mannes.
Ich hatte ganz vergessen, wie sich das anfühlte. Wie sich ein Mann veränderte, selbst wenn er so zahm war wie Andy. Die Entfernung, die sein Blick zurücklegte, weckte eine uralte Reaktion in mir. Kein Wunder, dass selbst Frauen, die zufrieden waren mit ihrem Leben und genau wussten, dass das, was ihr Leben bestimmte, ihre Freundinnen waren, trotzdem gern einen Mann haben wollten. Allein schon wegen der Atmosphäre .
Reisen, schrieb ich. Ein Entwurf.
Hatte er mich schon immer im Auge gehabt? Oder nur früher, als ich jung war und bei Boody arbeitete? Bei Tessas Party, als sie ihren Gewerkschaftsposten abgab, waren meine Heels die einzigen hohen Absätze im ganzen Raum gewesen. Und letzte Woche hatte Andy mich draußen im Garten gesehen, in meinem fleckigen Morgenrock, der aussah, als hätte ich ihn vollgekotzt,
dabei hatte ich nur einmal aus Versehen Bleichmittel darübergekippt. Ich hatte seine Handynummer angerufen, weil Bell auf Mrs. Becketts Baum saß und nicht herunterkam – aber wie das immer so ist, war die blöde Bell natürlich längst wieder unten auf der Erde, als Andy erschien.
Egal. Das brachte mich nicht weiter.
Seit sich der heilige Brendan in seinem Lederboot aufmachte, um Amerika zu finden, sind die Iren Reisende.
Ja, da war tatsächlich ein kurzer Moment der Erregung gewesen. Minimal, aber trotzdem. Hieß das, dass ich hoffnungslos ausgehungert war? Ohne es selbst richtig zu merken? Wollte man Margaret Mead glauben, dann brauchte eine Frau drei Männer in ihrem Leben: einen, der ihr leidenschaftlichen Sex und Kinder schenkt, einen, der sie und die Kinder beschützt und ernährt, und einen, der in den späteren Jahren, in den Jahren des Verfalls, ihr treuer Freund und Begleiter ist. Ich verfiel noch nicht körperlich. Eigentlich fühlte ich mich besser denn je. Und ich brauchte eindeutig keine Kinder und auch keinen Beschützer für meine potenziellen Kinder. Also blieb nur noch der leidenschaftliche Sex.
Ich schaute mich in der Küche um. Leidenschaftlicher Sex. Hier? Zu Hause? Ach nein, der letzte Mensch, der hier in diesem Raum gekeucht und geächzt hatte, war mein Vater. Und sowieso, im Haus der Kindheit gab es keinen Sex, in diesem Haus, wo das Holz an den Türen unten zerkratzt war von den Krallen der Katzen, die man mehr geliebt hatte als alles andere auf der Welt. Im Haus der Kindheit gab es keinen Sex, wenn man romantisch veranlagt war. Sex war wie eine üppige Frucht, die an exotischen Orten gedieh. Ein Mädchen ging stumm neben einem gut aussehenden Amerikaner die breiten Stufen des Gresham Hotels hinauf. Sie zitterte – und das nicht nur, weil sie Angst hatte, der Portier könnte hinter ihnen herrufen. Und dann wanderte sie einen stillen Korridor entlang, und der gut aussehende
Amerikaner beugte sich hinunter, um die Tür aufzuschließen, und plötzlich blendete sie das Sonnenlicht, das durch die hohen Fenster flutete, deren weiße Vorhänge sich im Luftzug bauschten, und die vertrauten Geräusche des Autoverkehrs und der Passanten wehten von der Straße herauf. Und der junge Mann drehte sich zu ihr um und schloss sie in die Arme. Oder ein Mann in einem Flugzeug, der sagte: »Ich würde Sie gerne morgen wiedersehen, dann kann ich Ihnen helfen, sich hier besser zurechtzufinden.« Oder eine Gestalt im dämmrigen Aquarium, die sich als Mann herausstellte und lächelnd fragte: »Welcher gefällt Ihnen am besten?«
Sie waren anderswo, die Möglichkeiten der Leidenschaft. Sie winkten und lockten, man musste ihnen nur folgen.
War es das, was die Menschen im Hinterkopf hatten, wenn man sie fragte, welche ihrer Wünsche noch unerfüllt seien, und sie antworteten: »Ich
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