Dunkle Tage, helles Leben - Best Love Rosie
nachdem sie ein paar Sekunden lang die verschiedenen Liegemöglichkeiten ausgetestet hatte, schmiegte sie sich an mein Kreuz. Zuerst fiel es ihr schwer, sich zu entspannen. Immer wieder durchlief sie ein Zittern, und ich hörte sie leise hecheln und den Unterkiefer hin und her schieben. Ach, was müssen wohl erst Babys durchmachen, dachte ich, wenn schon ein kleiner Hund, obwohl er in Sicherheit und geborgen ist, solche Angst hat!
Als sie endlich aufhörte, mit dem Kiefer zu mahlen, seufzte sie lang und tief. Dann schlief sie endlich ein. Ich musste lächeln, weil dieser Seufzer mich so sehr an Min erinnerte.
TEIL VIER
Das Fest am Milbay Point
17
D ie folgenden Wochen waren ein Leben in einem Leben. Ich wurde heiter und entspannt. Das Gleiche galt auch für die Hündin. Nach ein paar Tagen schlief sie, ohne zu jaulen und zu zittern, die Albträume schienen zu verschwinden, obwohl ich den Eindruck hatte, dass das nächtliche Dunkel sie immer noch irgendwie belastete. Ich wachte oft auf und sah, dass sie ebenfalls wach war. Sie saß dann reglos da und starrte in die Finsternis. In der Frühe war sie oft so mürrisch wie ein menschlicher Morgenmuffel und versuchte, noch am Schlaf festzuhalten, während ich schon aufstand. Aber ich zwang sie, mit an den Strand zu kommen. Ich brauchte sie. Wir hatten herrliches Augustwetter, und ich hatte eine kleine Nische mit dunklem Sand gefunden, keine drei Minuten vom Haus entfernt. Dort konnte ich, wenn ich meine Schuhe auf einem bestimmten Felsen auszog, ins Wasser gehen, ohne auf einen einzigen Kieselstein zu treten. Mit einem Handtuch unterm Arm ging ich fast jeden Morgen dorthin, und der Hund musste mich begleiten.
Wenn ich einen Internetanschluss gehabt hätte, dann hätte ich mit Sicherheit irgendjemandem eine Mail geschickt, um zu erzählen, was ich entdeckt hatte: dass man fast alles auf der Welt allein machen kann, ohne richtig zu merken, dass man allein ist – außer schwimmen gehen. Man kann nicht ins kalte Wasser platschen und laut aufschreien, wenn man untertaucht,
dann ein Stück schwimmen und immer wieder nach Luft japsen, bis man langsam warm wird und merkt, was für ein tolles Gefühl das ist – all das kann man nicht tun, ohne zu spüren, ob man will oder nicht, dass niemand da ist, der es mitbekommt.
Es war ein Trauerspiel mit Leo. Er ging inzwischen überhaupt nicht mehr schwimmen. Einmal, vor vielen Jahren, war ich eine ganze Woche lang in einem kleinen Dorf am Vierwaldstätter See, weil Leo in der Nähe wohnte, und er verabredete sich immer mit mir am Pier, ganz früh morgens, wenn der Himmel noch blass und dunstig war. Dann gingen wir gemeinsam schwimmen, bis zum blauen Tageslicht. Danach sprang er im Bademantel ins Auto und fuhr nach Hause, während ich den Weg zu meinem Gästehaus hinaufging, wo es nach frischem Kaffee duftete.
Tja … Leo war in vieler Hinsicht der perfekte Mann, aber er besaß überhaupt keinen Humor. Als ich ihm erzählte, dass Joyce gesagt hatte, ein Pier sei eine Brücke, die enttäuscht wurde, fand er das gar nicht lustig. Humor würde ihm jetzt helfen. Für einen eitlen Mann musste das Älterwerden mindestens genauso schrecklich sein wie für eine normale Frau – und überhaupt für jeden, der zuerst und vor allem angeschaut wurde. Es war schlimm genug für mich zu beobachten, wie die Furchen an meiner Oberlippe immer tiefer wurden. Aber wie würde ich mich erst fühlen, wenn ich früher Marilyn Monroe gewesen wäre?
Ich schwamm nackt. Das tat ich immer, wenn es irgendwie möglich war. Auch damals in der Hütte am Strand südlich von Kalamata, als ich das erste Mal Proust las. Und hier war nichts zwischen mir und Cardiganshire, außer dem Meer. Und außerdem besaß ich gar keinen Badeanzug.
Zu Hause gab es einen, aber der würde mir höchstwahrscheinlich nicht passen: der Badeanzug mit den Punkten, den Min ihr ganzes Leben behalten hatte, obwohl sie doch nie einen Versuch unternommen hatte, schwimmen zu lernen. Das kräftige
Nylonmaterial und die Korsage hatten sich gut gehalten, das war mir aufgefallen, als ich im Sunshine Home Mins Tasche auspacken wollte. Ich musste lächeln, als ich den Badeanzug sah. Ich hatte ganz vergessen, dass sie ihn überallhin mitnahm, selbst nach Nevers, auf die Frauenpilgerreise zum Grab der heiligen Bernadette von Lourdes, mitten in Frankreich, mitten auf dem Festland. Der Badeanzug signalisierte für sie, dass sie etwas unternahm, was nicht zum Alltag gehörte. Für mich ebenfalls. Bevor
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