Dunkle Tage, helles Leben - Best Love Rosie
Selbst das Wochenende – nächstes Wochenende gehen wir zu irgend so einer irischen Party.«
»Niemand hindert dich daran, hier zu irgendwelchen irischen Veranstaltungen zu gehen«, sagte ich schmollend. »Oder Stoneytown zu besichtigen. Irischer als Stoneytown geht’s kaum.«
»Bist du gerade dort?«
»Ach, ich bin nur hierhergefahren, um mich umzusehen. Es hat geregnet. Jetzt weiß ich nicht, was ich tun soll, weil mir diese hübsche kleine Hündin gefolgt ist, und sie will nicht ins Auto.«
Piep. Piep. Piep. Noch mal zwei Euro.
»Min, wenn ich dir die Nummer von der Telefonzelle gebe – du weißt, wo sie ist, an der Hauptstraße, auf halber Strecke durch den Wald -, rufst du mich dann zurück? Es ist bestimmt zehnmal billiger vom Festnetz in Amerika als von einer Telefonzelle in Irland, und wir würden nicht die ganze Zeit unterbrochen. Wir können uns verabreden. Sagen wir, samstags, immer um diese Zeit, wenn du aufstehst? Es sind nur noch ein paar Samstage, aber es wäre doch nett, wenn …«
»Ich schreib mir die Nummer auf«, sagte sie. »Gib sie mir. Aber ich finde, du solltest nicht so viel draußen am Milbay Point sein. Was willst du da denn die ganze Zeit machen?«
»Ich muss mich um den Hund kümmern.«
»Hör zu, Rosie. Schaff dir einen eigenen Hund an. Gib dich nicht mit Streunern ab.«
»Danke, Min«, sagte ich. »Gilt das auch für Katzen?«
»Weißt du, was ich nicht fassen kann?« Sie hatte mir gar nicht zugehört. »Ich kann es nicht fassen, wie hübsch sich die Frauen hier machen. Die Lady gegenüber, sie hat mich zu sich gerufen und gesagt, ich soll doch mal kommen und mir auch die Nägel machen lassen, wenn sie sich die Nägel machen lässt. Und die Frau ist schon über achtzig! Sie ist sehr lieb, wirklich, sie hat sogar für meine Nägel bezahlt, nicht nur für ihre. Du müsstest das Ergebnis sehen, sieht super aus.«
»Wie kommt es, dass du …?«
»Aber die Sache ist die – wenn ich an die Frauen denke, die auf dem Point gelebt haben – so haben sie immer gesagt, kein Mensch hat Stoneytown gesagt -, die Frauen vom Point waren schon ganz früh alt. Sie haben mindestens doppelt so alt ausgesehen wie die hier. Sie hatten keine Zähne mehr im Mund, die meisten jedenfalls. Aber hier bei der Arbeit ist ein Mädchen, die hat gesagt, sie nimmt mich mit zu ihrem Nachbarn, der ist Zahnarzt.«
»Du hast noch nie was über deine Zähne gesagt«, rief ich. »Wieso hast du nicht …?«
Wieder ein warnendes Piepsen.
»Wann können wir …?«
Aber wir wurden getrennt. Ich hatte keine Münzen mehr, und Min rief nicht zurück.
Schließlich gab ich es auf, den Hund zu rufen, und fuhr nach Milbay, zum Polizeirevier am Kai. Der Parkplatz war über dem Wall, wo die Stoneytown-Boote angelegt hatten, als der Steinbruch
noch in Betrieb war. Es nieselte wieder leicht, sodass der Fluss wie getüpfelt aussah, aber ich konnte deutlich die Reihe der Häuser erkennen, in denen die Arbeiter gewohnt hatten. Häuser ohne Dächer. Ich freute mich, dass mein Haus nicht zu sehen war und ich es mir vorstellen konnte, auf der anderen Seite der Landzunge, mit Blick aufs Meer.
Der junge Polizist schaute mich verständnislos an, ging in ein anderes Büro und kam mit einem älteren Garda zurück, einem Sergeanten. Ich erklärte noch einmal, was ich wollte. Die Polizei sollte wissen, dass das Grundstück hinter dem ehemaligen Trainingslager meiner Familie gehörte und ich dort ein und aus ging. Ich suchte in meiner Tasche nach dem Brief des Verteidigungsministeriums, aber der Sergeant deutete mit einer Geste an, dass bei einer respektablen Frau in meinem Alter keine Beweise nötig seien.
Er stamme nicht aus der Gegend hier, sagte er gleich. Aber er habe schon von den Einwohnern von Stoneytown gehört. Er unterbrach sich und wandte sich an einen alten Herrn, der in einer Ecke am anderen Ende des Raums an einem Schreibtisch saß und auf einem kleinen Bildschirm Eistanz anschaute.
»Paddy war hier viele Jahre lang ein Garda, und er hilft uns immer noch, das Telefon zu beantworten. Paddy! Weißt du irgendwas über Stoneytown?«
»Ja, klar«, sagte der alte Mann und kam strahlend zu uns herüber. »Ich erinnere mich sogar sehr gut an Stoneytown. Interessieren Sie sich dafür, Missus? Ich hatte gerade angefangen, hier zu arbeiten, als die Einwohner von dort in die Stadt umgesiedelt wurden. Es war kurz vor Kriegsende, und alle hatten Angst, dass die Deutschen mit ihren U-Booten kommen oder die Engländer oder die
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