Dunkle Tage, helles Leben - Best Love Rosie
nicht länger mit einer durchschnittlich aussehenden Frau abgeben wollte, die zu alt war, um sie anzubaggern? Oder war ich nur paranoid, weil er so gut aussah? Wir waren ungefähr gleich alt, aber seit wann machte uns das zu gleichwertigen Partnern?
Ich senkte den Blick und betrachtete seine kräftigen Arme und Hände. Ich hatte keine andere Wahl, als darauf zu starren, denn sonst hätte ich in seine unfreundliche Miene schauen müssen. Ihm war wahrscheinlich gar nicht bewusst, dass man ihm die Ungeduld so deutlich ansehen konnte.
»Das Haus hat mein Großvater gebaut«, sagte ich.
Er brachte nicht einmal eine Höflichkeitsfloskel über die Lippen.
In meinem Inneren begann es zu brodeln. Es ist nicht meine Schuld, fauchte ich ihn innerlich an, dass ich dich langweile, nur weil ich nicht mehr jung genug für einen Flirt bin. Aber jedes Mal, wenn sein genervter Blick auf mich fiel, senkte ich den Kopf ein bisschen tiefer.
Immerhin fand er das Thema interessant. »Wir sind damals nicht an Land gegangen«, berichtete er. »Wir sind nur hingerudert und haben zugeschaut, wie die Leute von Stoneytown um ihre Feuer herumsaßen.«
Er war ein Typ mit einer faszinierenden Präsenz. Man hätte echt gut mit ihm flirten können.
Also versuchte ich, ihn mit einem charmanten Lächeln und mit unterwürfiger Körpersprache für mein Anliegen zu gewinnen. Unglaublich – dass ich jetzt, wo ich älter wurde, lügen musste, statt ehrlicher sein zu können! Es war schon peinlich genug, dass ich ihn so sexy fand. Was ich mir auf keinen Fall anmerken lassen durfte. Eigentlich fand ich mich selbst gar nicht so übel – okay, ein kleines bisschen runder und faltiger als früher, aber immer noch reizvoll. Dennoch wäre er garantiert entsetzt, wenn er wüsste, dass ich an einen Flirt mit ihm zu denken wagte. Wir spielten nicht in derselben Liga. Der Zahnarzt hatte aus irgendeinem Grund eine Zeitschrift der Harvard Alumni in seinem Wartezimmer herumliegen, und in den Kontaktanzeigen suchten die emeritierten Professoren – selbst wenn sie schon achtundachtzig Jahre alt waren – Frauen um die sechzig.
»Alle hatten Angst vor den Steinbruchleuten«, sagte der Mann jetzt. »Ziemlich grobe Typen waren das. Sie haben immer selbst gebrannten Whiskey getrunken. Die Frauen mindestens so viel wie die Männer. Und das Stück Küste, wo der Fluss ins Meer übergeht – das wird ja angeblich vom little folk bewacht. Aber Gerüchte von übersinnlichen Wesen gibt’s immer, wenn irgendwo geschmuggelt wird.«
Ich bemühte mich, höfliches Interesse zu zeigen. Doch da erschien vor meinem inneren Auge schon wieder dieses Bild, wie sein Mund mich … Wie bitte, mich ?
»Nein, wirklich«, fuhr er fort. »Das geht nicht. Die alten Häuser sind doch nur noch Ruinen. Ich sehe sie mir manchmal durchs Fernglas an, wenn ich angeln gehe. Da kann man keine Leitungen verlegen. Die Steinbruchleute hätten genauso gut in Höhlen hausen können, so wenig haben die sich um ihre Häuser gekümmert. Sie haben hart gearbeitet. Und hart gespielt.«
»Ich würde annehmen, die Männer haben gespielt«, erwiderte ich. »Die Frauen haben bestimmt nur gearbeitet.«
»Sie müssen vorsichtig sein, allein da draußen.« Er musterte mich mit Widerwillen im Blick. »Man weiß nie, wer sich da rumtreibt und seinen Cider trinkt.«
»Das Haus meines Großvaters ist kein Steinhaufen«, sagte ich kühl. »Es ist wetterfest, und man kann den Eingang und die Hintertür mit einem dicken Holzbalken sichern. Ich habe einen Vertrag für ein Buch, das ich schreiben muss, und dafür brauche ich Strom.«
»Tja, Sie kriegen aber leider keinen Strom. Es sei denn, Sie sind zufällig Millionärin. Und selbst dann würde das Elektrizitätswerk nicht zulassen, dass eine Leitung zu einer Ruine gelegt wird, die aller Voraussicht nach sowieso demnächst verschwindet, wenn die Immobilienmakler das alte Trainingslager in die Finger kriegen. Und sobald das große Geld kommt, ist Schluss mit den Cider-Partys.«
»Meinen Sie wirklich, irgendjemand fährt zehn Meilen mit dem Auto zum Trainingslager des Fliegerkorps, klettert über den Zaun und läuft dann noch mal einen Kilometer zu einem verlassenen Haus, in das man nicht einbrechen kann – nur um dort seinen Cider zu trinken?«
»Sie würden sich wundern, was die Leute alles tun«, murmelte er.
Aber er schenkte mir immerhin ein verschämtes Lächeln.
Die Bibliothek hatte noch eine halbe Stunde geöffnet, also rannte ich hin, um mich von dem
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