Dunkle Tage, helles Leben - Best Love Rosie
ausweichen, die in dem wunderbar klaren Licht nach dem Regenguss glänzten. Ich kam an der Höhle vorbei, in der ich normalerweise den Wagen abstellte, und schließlich kletterte ich, leicht vornübergebeugt, die Anhöhe hinter dem Haus hinauf. Wenn ich die Luft anhielt, hörte ich, wie das kurze Gras nach dem Regen auf die Sonne reagierte: Die Halme raschelten tausendfach, während sie sich langsam wieder aufrichteten.
Oben angekommen, machte ich halt. Da unten schien alles in Ordnung zu sein. Die Flut kam bis zu den Felsen vor dem Haus, aber es bestand keine akute Gefahr. Die grünen, wachsartigen Blätter der dichten Hecken, die den Garten umschlossen, leuchteten jetzt noch kräftiger als sonst. Unter den Dachbalken der Schuppen hatten sich große Wasserlachen gebildet, weil es keine Regenrinnen mehr gab. Der Brunnen war gut abgedeckt. Mein Blick wanderte weiter. Vor der Hintertür lag ein kleines schwarzes Bündel …
Nein. Das war kein Bündel.
Was dann passierte, schilderte ich Andy, als er mich abends besuchen kam, folgendermaßen: »Nach dem Regen war das Meer hinter den Steinschuppen so ruhig, dass man es gar nicht mehr gehört hat, und die Vögel sind auch völlig lautlos in den dunklen Wald geflogen, sie sahen aus wie Papierflieger und …«
»Ich weiß, was du meinst«, unterbrach mich Andy. »Wie Papierflieger! Ganz genau! Du kannst das so toll ausdrücken. Mir wäre das nie eingefallen.«
»Ja, ja«, brummelte ich. Ich bekam zurzeit nicht viele Komplimente, deshalb durfte ich nicht wählerisch sein. »Die Sache ist die: Das schwarze Bündel hat sich bewegt.«
»Wie bitte?« Andy war sprachlos. Das veränderte sein Äußeres nicht unbedingt zum Besseren – vor Staunen blieb ihm der Mund offen stehen, und eine Spaghettischlange hing an seiner Lippe. Ich beugte mich über den Küchentisch, zupfte die Nudel weg und ließ sie vor seiner Nase hin und her pendeln.
»Es war ein Hund!«, flüsterte ich. Dann sprang ich auf und tanzte jubelnd durch die Küche, weil ich vor Freude fast platzte. »Es war der kleine schwarze Hund, den ich ein paar Tage vorher schon mal gesehen habe. Eine junge Hündin. Sie hat auf mich gewartet.«
Ich hatte gepfiffen. Kein zünftiger Pfiff, eher ein gehauchtes Frauenpfeifen. Da sah ich, wie die kleine Hündin sich erhob und losrannte, ohne sich lange umzuschauen. Sie kam zielstrebig auf mich zu. Irgendwie erschien sie mir dünner als bei unserer letzten Begegnung, aber vielleicht lag das auch nur daran, dass ihr Fell nass war.
Ich forderte sie nicht auf, mir zu folgen. Ich würdigte sie kaum eines Blicks. Ich wusste ja immer noch nicht, wo sie wohnte und wann sie dorthin zurückgehen würde. Aber sie lief unbeirrt hinter mit her, über die Wiese und in den Wald, wo es noch zu regnen schien, weil überall das Wasser von den Blättern tropfte. Ich spannte Dads Schirm auf, aber die Bäume standen
viel zu dicht an dem schmalen Weg, dichter, als ich gedacht hatte, also verstaute ich den Schirm in einem hohlen Stamm, der sich praktisch anbot, wie ein Schirmständer in einem Restauranteingang.
»Na, dann!«, sagte ich zu der kleinen Hündin. »Ich richte mich hier ein.« Sie ging in Habtachtstellung und schaute mit leuchtenden Augen erst zum Schirm, dann zu mir.
Sie folgte mir durch die Lücke in der Hecke hinter der Telefonzelle. Ich hatte mir ein Sandwich mitgebracht, das im Auto lag. Aufmerksam beobachtete meine Begleiterin, wie ich es auswickelte, und als ich es ihr anbot, nahm sie es vornehm in die Schnauze und sauste damit hinter die Telefonzelle, um es dort ungestört verspeisen zu können. Danach schlürfte sie gierig das Regenwasser aus dem Rinnstein. Ich setzte mich seitlich auf den Rücksitz, die Füße im Gras, mein Gesicht der Nachmittagssonne zugewandt, während die Hündin, halb auf meinen Schuhen liegend, vor sich hin döste, die Pfoten anmutig gekreuzt.
Am vorhergehenden Abend hatte ich mich mit Peg verglichen und war – obwohl ich beinahe selbst über meinen Trübsinn lachen musste – zu folgendem Schluss gekommen: Wenn ich nicht so geliebt wurde wie sie, lag das daran, dass ich selbst nicht richtig liebte. Ich hatte das rosarote Notizbuch genommen und geschrieben:
10. Ärgere dich nicht darüber, dass das Leben unfair oder ungerecht zu dir ist. Das Leben ist nie fair.
Aber war das keine Liebe, dieses warme, überströmende Gefühl, das ich für den kleinen Hund zu meinen Füßen empfand? Es musste Liebe sein, obwohl der Hund eben nur ein Hund war.
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