Dunkle Templer 01 - Erstgeboren
Ablenkungsmöglichkeit.
Nachdem er sich darum gekümmert hatte, ließ Jake sie ihre Arbeit tun und stieg in die Tiefe zum Durchgang hinab, nun allerdings auf herkömmlichere Weise als beim ersten Mal, indem er einfach dem Gang folgte, den R. M. genommen hatte. Dort setzte er sich hin, ganz allein, und starrte auf die Wand und das mutmaßliche Tor, und seine Gedanken überschlugen sich.
Es war ihm etwas aufgefallen, als er den Tempel das erste Mal betreten hatte und nicht eine, sondern zwei Ebenen weit nach unten gestürzt war. Von außen war der Tempel hundertprozentig dunkel. Es war ein dunkles Grünbraun und Schwarz, und die Kristalle, die ihn umgaben, waren brüchig. Er hatte gelernt, die Stellen zu erkennen, wo man einbrechen könnte, wie es ihm passiert war – sie waren von einem verräterischen dunklen Jadegrün.
Auf eine flüchtige Untersuchung hin war der Tempel also dunkel, ja. Tot.
Aber: Als er sich dem inneren, hohlen Bereich genähert hatte, dem sogenannten Herzen des Tempels, hatte er bemerkt, dass die weiter zum Zentrum hin gelegenen Bereiche viel grüner waren. Sie wiesen einen fast smaragdgrünen Ton auf und entsprachen viel mehr den Beschreibungen des Tempels auf Bhekar Ro.
Der Tempel dort hatte noch ein Energiewesen beherbergt.
Manchmal bestand das Grün nur aus ein paar Punkten hier und da. Manchmal nahm es größere Flächen ein. Das »Tor«, wenn man es so nennen konnte, das kurz aufgeflackert hatte, als er seine Hand darauf legte, war eine solche Fläche.
Je näher man dem Herzen des Tempels kam, dieser inneren Kammer, desto kräftiger schienen die Farbtöne zu werden.
Mehr als nur einmal zog Jake seine Handschuhe aus und berührte die Wände beinahe zärtlich. Obgleich die Geste nicht der praktischen Herangehensweise an die Archäologie zu entsprechen schien, wusste er doch, dass dem so war. Um etwas kennenzulernen, musste man es berühren. Man musste all seine Sinne einbringen in das, was man tat, weil die Geheimnisse sich versteckten. Wenn jedermann alles auf einen Blick hin gewusst hätte, gäbe es keine Herausforderungen.
Er wollte, dass das Artefakt mit ihm sprach, wollte, dass es ihm die Geheimnisse derer offenbarte, die es erschaffen hatten. Es sollte ihm verraten, wie dieses Tor zu öffnen war, das zwischen Jake Ramsey und dem Herzen eines Alien-Tempels stand. Es war dasselbe, was er immer wollte, wenn er eine Ausgrabung unternahm. Er wollte, dass die Relikte der Vergangenheit, die Stücke von Töpferwaren, Bauten oder Werkzeugen ihm von den Wesen erzählten, die sie hergestellt hatten.
Und am Ende taten sie das auch immer. Und in diesem Fall würde es genauso sein.
Er musste nur herausfinden, wie er es dazu bringen konnte, mit ihm zu sprechen.
*
Darius würde nicht mit einem Seelenklempner reden, wie Leslie es tat. Auf gar keinen Fall. Schon deshalb nicht, weil es Leslie nicht sonderlich zu helfen schien, mit dem Seelenklempner zu quasseln. Er würde alleine fertig werden mit den Stimmen, die in seinem Kopf flüsterten, gar keine Frage.
Und wenn es etwas flüssigen Mutes bedurfte, um sich in die rechte Stimmung zu bringen, diesem dunklen, brütenden »Tempel« gegenüberzutreten, der ihn jedes Mal anzuglotzen schien, wann immer er in Sichtweite des verdammten Dings kam, nun, dann musste das eben sein, nicht wahr?
Wenigstens war er nicht der Einzige. Im Gegensatz zu Leslie, die hinsichtlich ihres Unbehagens am ersten Tag ganz offen gewesen war, hatte er mit niemandem darüber gesprochen, was er empfand. Oder hörte oder träumte. Aber er stellte allmählich fest, dass auch die Gesichter anderer verkniffen und beunruhigt wirkten. Er konnte es zwischen ihren Worten vernehmen.
Die Einzigen, die nicht auf dieselbe Weise betroffen zu sein schienen, waren Jake, R. M. und das Team von R. M. Verdammt, Jake hockte sich jeden Tag vor diese Kammer, ganz allein, und kam jedes Mal wieder so zum Vorschein, wie er immer gewesen war – vergnügt, geduldig, begeistert von dem, was er tat.
Vor zwei Tagen hatte Darius sich beinahe in die Hose gemacht, als ein tiefes, ächzendes Geräusch aus dem Tempel gedrungen war. Alle hatten innegehalten und einander aus großen Augen angesehen. Leslie hatte gekreischt. Ein bisschen nur. Darius’ Mund war knochentrocken gewesen.
»Es – es weint! « , hatte jemand gesagt. Und tatsächlich klang es genauso. Ein leises, wimmerndes Geräusch, wie von etwas, das so große Schmerzen litt, dass es über die Grenzen der Agonie hinausging…
R. M. war
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