Dunkle Träume (Wächterschwingen) (German Edition)
Leichen.
Wie wäre sein Leben verlaufen, wenn Myra und er mit seiner Mu t ter hätten fliehen können?
Kyr kam öfter an diesen Ort. Jedes Mal, wenn er einen Elfen get ö tet hatte, brachte er ihn hierher. Der Kerl, der seinen Schwanz abg e schnitten hatte, lag hier, und der andere, der ihn ebenfalls traktiert hatte. Es verschaffte ihm wenigstens ein bisschen Genugtuung. E i nes Tages würde er auch den Krieger töten, der seiner Mutter den Kopf abgeschlagen hatte. An ihn war er bisher nicht herangeko m men, weil er nicht auffindbar war. Doch Kyrian würde sein Gesicht immer wiedererkennen.
Er verweilte nicht lange, sondern trat vor die Höhle. Er musste z u rück. Jenna fragte sich bestimmt schon, ob er sich runtergespült ha t te. Aber er gönnte sich noch einen Moment und blickte über das Dunkle Land. Er gehörte weder hierher noch in die Menschenwelt, doch wenn er es sich aussuchen könnte, würde er für immer in Vi n cents Klan leben.
Die Morgensonne stand tief, tauchte den Berg in goldenes Licht. Das restliche Land lag noch im Schatten. Von dieser Position konnte er die Burg nicht sehen, nur einen Teil der Stadt, die vor den Mauern lag. Er würde sich allerdings sofort vor dessen Tore translozieren können. Der Wunsch, seine Schwester herauszuholen, war übe r mächtig. Aber er musste sich gedulden, sich einen Plan zurechtlegen. Einen, der funktionierte. Wie oft hatte er sich in den letzten Jahren den Kopf darüber zerbrochen. Das Gebäude war gesichert wie eine Festung und er konnte sich darin weder translozieren noch Magie anwenden – was ihm zum Vorteil gereichte, da er kaum Zauberspr ü che beherrschte. Auch Waffen zu tragen war verboten. Kyrian würde sich voll und ganz auf seine Nahkampffähigkeiten verlassen müssen. Er wusste einen Weg hinein, doch allein gegen die Übermacht der Wachen anzutreten, stellte eine Herausforderung dar.
Nach einem letzten Blick auf die karge Landschaft, materialisierte er sich in die Herrentoilette des Cafés zurück, wusch das Blut von den Händen und dem Messer und klopfte sich den Staub von der Kleidung. Erst dann trat er vor die Tür.
Jenna stand dort, eine Schulter an die Wand gelehnt, und sah ihn fragend an, als sein Magen laut knurrte.
»Geht’s dir gut?«
»Bestens.« Er hatte eine Menge Energie für die Translokation in eine andere Dimension und zurück verbraucht, weshalb er sich beim Hinausgehen noch einen Bagel mitnahm.
W ie ein Häuflein Elend saß Jenna neben ihm und starrte aus dem Fenster, als sie die Easton Road aus Bridlington hinau s fuhren. Er hatte sie verletzt. Sicherlich erwartete sie mehr, aber er hatte keinerlei Erfahrung, wie man sich nach dem Sex verhielt. Abspritzen, abfli t zen … Das war bisher sein Motto g e wesen.
Er fühlte sich erbärmlich. Auch wenn sie eine Hexe war, hatte sie so eine Behandlung nicht verdient.
Verflixt, was hatte er für Gedanken? Diese Frau machte einen So f tie aus ihm. Er war ein Krieger, verdammt, und ein Spion. Er musste seinem König bald Resultate liefern, oder Myra würde dafür büßen müssen. Lothaire hatte sie schon einmal ausgepeitscht, kurz nac h dem Dante in den Krieg gezogen war. Um Kyr zu zeigen, wozu er fähig war, wenn er nicht spurte. Sein Hass auf Lothaire hätte ihn damals fast Amok laufen lassen.
Myra … Er musste sie da rausholen!
Er versuchte, sich zu entspannen und überlegte, ob er ein G e spräch beginnen sollte, nur um endlich diese erdrückende Stille zu durchbrechen, die ihm sonst immer gelegen gekommen war. Der Menhir befand sich lediglich sieben Meilen von Bridlington entfernt, trotzdem war diese kurze Fahrt die bisher längste seines Lebens. A u ßer Feldern und Waldstücken gab es nichts zu sehen. Kyrian füh l te sich in der Stadt wesentlich wohler. Diese kahlen Landstriche eri n nerten ihn zu sehr an das Dunkle Land. Außerdem zog es sich zu, die Sonne versteckte sich hinter grauen Wolken und ein nebliger Dunst lag über den Wiesen, der sich auf sein Gemüt niederschlug.
Er lugte zu Jenna. Heute trug sie kein Kleid, sondern Jeans und e i ne helle Bluse. Als wollte sie ihm keinen Blick mehr auf ihren Kö r per erlauben. Aber er würde sich immer daran erinnern, wie sie sich u n ter ihm angefühlt hatte, wie er sich in ihr gefühlt hatte. Eins. Mit sich im Reinen. Als hätte sie Licht in sein dunkles Herz gebracht.
Kyrian hatte einen verdammt großen Fehler gemacht, als er sie so nah an sich herangelassen hatte. Er wusste nicht, ob er sie jemals ausliefern
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