Dunkle Umarmung
Schwester zu haben, und daß sie einen Mann braucht. Aber ich will nicht, daß ein anderer Mann in meinem Haus lebt und die Sachen von meinem Daddy benutzt!« rief sie aus. »Ich will es nicht! Ich will es nicht!« Sie fing an zu schluchzen. Ich schlang meine Arme um sie und hielt sie fest, und dann erzählte ich ihr von Daddy und Mildred Pierce. Sie hörte auf zu weinen und lauschte aufmerksam, und bald tat ich ihr leid.
»O Leigh«, seufzte sie, »Erwachsene sind so unglaublich egoistisch. Ich will nie so werden.«
Wir waren beide sehr traurig, als es Zeit für sie wurde, wieder nach Hause zu fahren. Sie fragte Mama, ob ich zu ihr zu Besuch kommen dürfe, und Mama erwiderte darauf: »Das werden wir sehen. Wir haben diesen Sommer viel zu tun, und Leigh muß mir mit Troy helfen, meine Liebe.«
Ihr mit Troy helfen? dachte ich. Seit wann machte sich Mama Sorgen, ob Troy genug Beschäftigung hatte? Was sie wirklich meinte, war, daß ich ihr Tony vom Leib halten mußte. Oh, wieder einmal siegte der Egoismus meiner Mutter. Es war doch nicht normal, daß sie es mir überließ, ihren neuen Mann zu beschäftigen.
Eines Abends Ende Juni war es noch in der Abenddämmerung sehr heiß, und ich hatte den größten Teil des Nachmittags damit verbracht, mich am Pool zu räkeln und zu lesen. Troy und seine Krankenschwester hatten ein paar Stunden mit mir zusammen verbracht, denn der Arzt hatte Troy jetzt im Sommer regelmäßige Sonnenbäder verordnet. Ich blieb am Pool, bis die Sonne hinter den Bäumen versank und lange, kühlere Schatten über die Liegestühle fielen. Dann zog ich meinen Bademantel über, schlang mir das Handtuch um den Hals und machte mich auf den Weg zum Haus. Schon bei meinem Eintreten hörte ich die Stimmen von Mama und Tony aus dem Wohnzimmer rechts neben der Eingangshalle kommen.
»Leigh!« rief Tony, sobald ich durch die Tür sah. »Du hast mir gefehlt! Wie braun du in dieser kurzen Zeit geworden bist.«
»Hallo, Tony. Wie war die Reise?«
»Recht erfolgreich«, sagte er und lächelte Mama an. Sie lehnte sich auf dem neuen Sessel zurück, einem mit Schnitzereien verzierten Stilmöbel, das sie erworben hatte. Mit den tropfenförmigen Diamantohrringen, dem zurückgekämmten Haar, dessen Sitz absolut perfekt war, und den Saphirringen an ihren Fingern sah sie aus wie eine Königin. Sie trug ein weißes Spitzenkleid mit einem tiefen Ausschnitt, und daher lag ihre kostbare Diamantkette vorwiegend auf der rosigen Schwellung ihrer Brüste.
»Tony hat eine wunderbare neue Idee«, verkündete sie.
Ich trat ins Zimmer.
»Erinnerst du dich noch, daß ich dir von dieser europäischen Firma erzählt habe, die Spielzeug herstellt, das vom Stil und von seiner Bestimmung her den Tatterton Toys ähnelt?« fragte er eilig. Ich nickte. »Tja, in Europa gibt es einige der besten Kunsthandwerker auf der ganzen Welt. Was sage ich da? Dort hat man wirklich die allerbesten Leute. Aber«, fügte er hinzu und zwinkerte erst mir zu und dann Mama, »einige von ihnen arbeiten jetzt für mich. Jedenfalls habe ich auf meinen Reisen eine ihrer Fabriken in einer kleinen Ortschaft außerhalb von Zürich aufgesucht und dort entdeckt, daß sie etwas herstellen, was sich ›Porträtpuppen‹ nennt.«
»Porträtpuppen?« Ich setzte mich auf das Sofa.
»Ja. Eine glänzende Idee!« rief er begeistert. »Niemand ist so sehr von sich bezaubert und in sich selbst verliebt wie die Reichen. Sie glauben, daß sie sich mit ihrem Geld und ihrem Rang Unsterblichkeit kaufen können, und daher lassen sie sich alle von den besten Malern porträtieren und von den besten Fotografen fotografieren. Sie scheuen vor keiner Mühe und keinen Kosten zurück, um diese Selbstdarstellung zu ihrer Zufriedenheit ausführen zu lassen.«
»Und was hat das mit Puppen zu tun?« fragte ich.
»Alles. Stell dir eine Puppe vor, die dein Gesicht hat und ganz allein dir gehört! Jeder wird eine haben wollen – Mütter, Töchter, Schwestern, Tanten; selbst Männer werden mit der Zeit kommen und sich Puppen anfertigen lassen, die ihr Ebenbild sind.
Und wir werden die ersten sein, die so etwas hier in Amerika anbieten, und somit wird eine Tatterton-Puppe etwas ganz Besonderes und Kostbares, ein höchst persönliches Sammlerstück sein. Einfach brillant!« rief er noch einmal aus, und diesmal schlug er sich mit den Fäusten auf die Knie.
Ich mußte zugeben, daß mir Tonys Begeisterung den Atem verschlug und daß die Idee ganz ausgezeichnet klang. Tony warf einen Blick
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