Dunkle Umarmung
Wochenenden beginnen sollte. An den Freitagabenden ging es beim Essen immer recht steif zu, und wenn Tony und Mama nicht irgendwo zum Essen eingeladen waren, luden sie gewöhnlich Freunde zu uns ein. Keines der Paare brachte je seine Kinder mit, und das hieß, daß ich immer mit den Erwachsenen zusammen war, die über Dinge redeten, die mich kaum interessierten.
Manchmal führte Tony einen Film vor. Ein paarmal gab ein Pianist im Musikzimmer eine Darbietung. Bei solchen Anlässen luden Tony und Mama ein halbes Dutzend Freunde oder noch mehr Leute zum Abendessen und dem anschließenden Privatkonzert ein. Mama sagte, das sei nicht nur schick, sondern auch ihre Art, die Kunst und die Künstler zu unterstützen.
Tony und ich gingen während der Wintermonate zu einem Skihang in der Nähe. Er stellte einen privaten Skilehrer ein, der mir die Grundlagen beibrachte, und es dauerte nicht lange, bis ich ihm den Hang hinunterfolgte.
Mama kam nie mit. Während wir unterwegs waren, besuchte sie jemanden oder lud ihre Freundinnen nach Farthy zu einer Bridgepartie ein. Wenn sie nicht Bridge spielte, machte sie Einkäufe in Boston oder besuchte eine Matinee.
Troy war immer noch geschwächt von seiner schweren Lungenentzündung, und er mußte die meiste Zeit im Haus bleiben. Mama beharrte darauf, daß Tony eine Krankenschwester einstellte, die sich ständig um ihn kümmerte, obwohl er nicht mehr krank war. Als er dann Ende März Windpocken bekam und direkt im Anschluß daran Masern, hielt Mama Tony und mir immer wieder vor, wie klug es von ihr gewesen war, darauf zu bestehen, daß Troy rund um die Uhr medizinische Überwachung hatte.
Er war öfter krank als gesund, und das schwächte den kleinen Troy. Er sah mich aus großen, traurigen Augen an, wenn der Sonntag kam und ich nach Winterhaven zurückkehren mußte, denn dann wußte er, daß er zu weiteren fünf Tagen mit wenig Gesellschaft und Unterhaltung verdammt war. Mama behandelte ihn wie einen wandelnden Seuchenherd und mied ihn nach Möglichkeit. Sie sorgte dafür, wie ich an einem der späteren Wochenenden herausfand, daß er seine Mahlzeiten zu anderen Zeiten bekam, damit sie nicht an einem Tisch mit ihm sitzen mußte.
Im Frühjahr bildeten sich neue Allergien bei ihm heraus, und er mußte fast wöchentlich einen Hautarzt und einen Allergiespezialisten aufsuchen.
Es lag auf der Hand, daß er sich in sich selbst zurückzog und die meiste Zeit damit verbrachte, mit den Spielsachen zu spielen, die Tony ihm kaufte, aber er bastelte sich auch eigenes Spielzeug. Eine Reihe seiner eigenen Erfindungen war ausgezeichnet, und es war eine darunter, die Tony sogar zu einem Tatterton Toy für Kinder in Troys Alter verarbeitete.
In den Frühlingsmonaten fingen Tony und ich mit dem Reiten an. Er entschloß sich, es mir selbst beizubringen. Wir ritten am Strand entlang und durch die Dünen. Troy wollte schrecklich gern mit uns kommen und Sniffles, sein Pony, reiten, aber der Allergiespezialist verbot ihm strengstens jeden Kontakt zu Tieren. Er durfte keinen Welpen und kein Kätzchen haben, noch nicht einmal einen Hamster.
In jenem Winter und auch in den Frühlingsmonaten war Mama so glücklich wie nie. Ich tat genau das, was sie wollte –
ich verbrachte den größten Teil meiner Wochenenden mit Tony und gab ihr damit die Freiheit, sich ihren eigenen Beschäftigungen zu widmen. Im Lauf der Woche hatte Tony sehr viel zu tun, und soweit ich es dem entnehmen konnte, was er und sie mir erzählten, verbrachten sie oft ganze Tage, ohne sich auch nur zu sehen. Ich fragte mich, was aus dieser rasenden Leidenschaft geworden war, aus diesen erhabenen Momenten voller Zauber, in denen es ausgesehen hatte, als ginge die Welt unter, wenn sie nicht ständig zusammen sein konnten.
Daddys Postkarten und Briefe trafen in den Wintermonaten und bis in den Frühling hinein regelmäßig ein. Dann fiel mir auf, daß schon lange kein Brief mehr gekommen war. Gerade, als ich schon glaubte, ich würde nie wieder von ihm hören, oder ihm könnte etwas zugestoßen sein, kam doch ein Brief.
Darin erwähnte er jemanden, von dem ich noch nie etwas gehört hatte, und er sprach von dieser Frau, als hätte er sie schon immer gekannt.
»Und heute«, begann der mittlere Absatz, »haben Mildred Pierce und ich auf den Champs Elysées zu Mittag gegessen. Es war ein herrlicher Tag, und auf der Straße wimmelte es von Wagen, von Einheimischen und von Touristen aus aller Welt, eine regelrechte Modenschau. Es war der erste
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