Dunkle Umarmung
frische Blume, die gerade erst aufblüht.« Seine Augen waren stechend und leuchteten. Er seufzte und schüttelte den Kopf. »Wie glücklich ich mich schätzen kann, dich zu haben, Leigh. Diese Puppe wird nur ein Erfolg, weil ich ein so schönes Modell habe.«
Er kehrte zu seiner Staffelei zurück und fing an zu zeichnen.
Kurz darauf hörte er wieder damit auf.
»Löse das Laken von deinem Hals, und laß es bis auf deine Taille gleiten«, sagte er so lässig wie möglich. »Und jetzt dreh den Kopf nach links.«
Bis auf die Taille, dachte ich. Meine Finger zitterten. Tony lachte. Einen Moment lang preßte ich das Laken gegen meinen Körper. Dann zog er es über meine Schultern herunter und meinen Busen, und bei alledem sah er mir fest in die Augen. Er lächelte, trat zurück und sah mich an. Mein Herz schlug heftig.
»Dieses kleine Muttermal unter deiner Brust ist ja ganz reizend!« rief er aus. »Genau das sind diese individuellen Kleinigkeiten, die das Modell erst wirklich zu dir und niemand anderem machen.« Er schien derart fasziniert davon zu sein, daß ich nur noch erstaunt den Kopf schütteln konnte. Er eilte sofort wieder an seine Staffelei und fuhr mit der Skizze fort.
Er arbeitete mehr als eine Stunde und unterbrach sich oft, um mich eindringlich zu betrachten, und dann seufzte er, ehe er den Kopf schüttelte und lächelte. Plötzlich legte er den Stift zur Seite, biß sich fest auf die Unterlippe und schüttelte heftig den Kopf.
»Was ist los?« fragte ich.
»Ich kriege es einfach nicht richtig hin. Es stimmt nicht, es ist unausgewogen. Ich werde deinen Proportionen nicht gerecht«, erklärte er.
»Muß es denn so perfekt sein, Tony?«
»Selbstverständlich«, sagte er, und ein ärgerlicher Ausdruck huschte über sein Gesicht. »Die erste muß die beste sein.« Er sah seine Skizze wieder an. Dann trat er vor.
»Ich hoffe, du hast nichts dagegen«, sagte er, »aber manchmal sehen wir Künstler mit geschlossenen Augen die Dinge klarer vor uns.«
»Aber wie kannst du mit geschlossenen Augen etwas sehen?«
fragte ich.
»Wir sehen mit unseren anderen Sinnen. Ein Künstler, der schöne Vögel malt, muß ihrem Gesang lauschen und nicht nur ihre Farben und ihre Formen, sondern auch ihren Gesang in seinem Gemälde festhalten. Wenn ein Künstler ein wunderschönes grünes Feld malt, fängt er den Geruch des Grases und den Duft der Blumen in seinem Gemälde ein.
Verstehst du?« Ich nickte. Es klang einleuchtend.
»Und durch die Berührung«, sagte er, »kann ein Künstler seinem Werk Tiefe, Struktur und Vollkommenheit verleihen.
Das wird mir noch von großem Nutzen sein, wenn ich erst bei der Skulptur angelangt bin. Bleib einen Moment lang ganz entspannt stehen«, bat er heiser. Er legte seine Hände auf meine Taille und schloß die Augen. Dann glitten seine Finger über meine Rippen hinauf und hielten inne. »Ja«, sagte er.
»Ja.« Er ließ seine Hände noch höher hinaufgleiten, und seine Fingerspitzen berührten meinen unteren Brustansatz. Ich wollte zurückweichen.
»Ganz ruhig«, murmelte er. »Jetzt sehe ich alles ganz genau vor mir.«
Ich sah ihm ins Gesicht. Seine Augen waren noch geschlossen, aber ich konnte sehen, wie sie sich unter den Lidern bewegten.
Seine Fingerspitzen strichen ganz langsam seitlich an meinen Brüsten hinauf und kamen von oben herunter. Dann ließ er sie einen Moment lang liegen und hielt den Atem an. Ich hielt gleichfalls den Atem an.
Das kitzelige Gefühl, das mich am Anfang überkommen hatte, legte sich schnell und wurde von einem Prickeln abgelöst, das sich durch meinen ganzen Körper zog. Es war, als glitten Dutzende von Fingern über mich, die dasselbe Gefühl durch meine Beine, meine Arme und meinen Bauch ziehen ließen.
Es war eine bestürzende Summe von Gefühlen, die mich gleichzeitig ängstigten und geradezu berauschten. Ich war völlig verwirrt. Sollte ich zurückweichen? Gestatteten alle Modelle, daß der Künstler ihren Körper so erkundete?
Manchmal, wenn er mich so gebannt ansah, hatte ich das Gefühl, als berührte Tony mich mit seinen Augen, aber das hier war etwas ganz anderes. Seine Finger bewegten sich unter und über meinem Busen, als forme er mich in seiner Vorstellung. Meine Beine wurden weich und fingen an zu zittern.
Endlich trat Tony zurück und nahm seine Hände von mir. Er arbeitete jetzt wie ein Rasender und preßte dabei seine Lippen fest zusammen. Ich rührte mich kaum von der Stelle. Mein Herz schlug so heftig, daß ich glaubte,
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