Dunkle Umarmung
erscheint.«
»Das sieht ihr ähnlich, ihre Leistungen herunterzuspielen.
Mildred ist Buchhalterin, Leigh, und daher weiß sie immer, was am rationellsten ist.«
»Wir wollen nicht über mich reden«, meinte Mildred und ergriff meine Hand. Sie ging mit uns auf das Hotelrestaurant zu. »Laß uns über dich reden. Ich möchte alles über dich wissen. Ich habe nämlich selbst zwei Kinder.«
»Wirklich?«
»O ja. Sie sind beide schon über zwanzig, und beide sind verheiratet und haben eigene Kinder.«
»Ich bin auch kein kleines Kind mehr«, versetzte ich.
»Natürlich nicht, meine Liebe«, sagte Mildred. Sie blinzelte meinem Vater zu. »Es sieht doch jeder, daß du eine junge Dame bist.«
Wir betraten das Restaurant, und der Empfangschef führte uns an den Tisch, der für uns reserviert war. Daddy zog Mildreds Stuhl zurück, der Empfangschef meinen. Als wir erst einmal saßen, sah ich mir Daddy genauer an. Sein Äußeres wies keine allzu großen Veränderungen auf, aber er machte einen viel glücklicheren Eindruck als bei unserem letzten Treffen. Sein Bart war gestutzt und gepflegt, und seine Wangen waren rosig. Ich hatte den Eindruck, daß er sich das Haar hatte kürzer schneiden lassen, aber er trug genau den Anzug und die Krawatte, die Mama mit der Zeit in ihrer Verzweiflung seine »Uniform« getauft hatte.
»Und jetzt erzähl mir, wie es in dieser neuen Schule ist«, forderte mich Daddy auf.
»Es ist ganz in Ordnung«, sagte ich.
»Mehr nicht?«
»Es ist eine gute Schule«, räumte ich ein. »Aber mir gefällt es in einer staatlichen Schule besser, und keine meiner Lehrerinnen ist so gut wie Mr. Abrams«, fügte ich eilig hinzu.
»Mr. Abrams war der Hauslehrer, den ich immer eingestellt habe, wenn wir Leigh während des Schuljahres auf eine Reise mitgenommen haben«, erklärte Daddy Mildred. Sie nickte.
»Ich kann es kaum erwarten, wieder eine Reise zu machen«, sagte ich. Daddy nickte, und um seine Augen spielte ein Lächeln, aber er machte nicht das Angebot, mit dem ich gerechnet hatte.
»Und wie geht es deiner Mutter?« fragte er.
»Ich nehme an, daß sie glücklich ist. Sie ist mit ihren Bridgepartien beschäftigt, sie hat ihre Freundinnen und geht ins Theater.«
»Und was ist mit Mr. Tatterton? Seine Geschäfte gehen doch sicher gut.«
Das war meine Chance, über die Puppe zu reden, dachte ich, aber ich wollte es nicht vor dieser Frau tun, die ich kaum kannte. Ich entschloß mich, zu warten, bis Daddy und ich später allein miteinander waren.
»Ja, ich denke, schon. Du hast mir gefehlt, Daddy«, sagte ich eilig. Ich wollte über nichts anderes als über ihn und mich sprechen. Wieder nickte er, ohne auch nur eins von den Dingen zu sagen, die ich zu hören gehofft hatte. Ich wollte, daß er mir sagte, wie sehr ich ihm gefehlt hatte und wie gern er mich bei sich haben wollte. Ich wollte, daß er mir erklärte, daß wir von nun an öfter Zusammensein würden, und ich wünschte mir, daß er mir einen Plan unterbreitete, wie wir mehr Zeit miteinander verbringen konnten, doch statt dessen schaute er in die Speisekarte.
»Laßt uns bestellen. Ich bin am Verhungern«, stöhnte er.
Mich interessierte das Essen überhaupt nicht. Mir wäre es egal gewesen, wenn wir überhaupt nie etwas bestellt hätten.
»Wir haben gestern das Roastbeef gegessen«, erzählte Mildred. »Das bereiten sie hier ganz ausgezeichnet zu, falls du so etwas magst.«
»Ihr wart gestern schon hier?« fragte ich augenblicklich, und mein Herz zog sich vor Erstaunen und Enttäuschung schmerzhaft zusammen.
»Oh…« Sie sah Daddy an.
»Ja, Leigh. Wir sind schon seit rund einer Woche zurück, aber ich wollte dich nicht früher anrufen, weil ich keine Zeit für dich hatte. Wir hatten so viel zu tun.«
Ich wußte nicht, was ich sagen sollte. Er war schon so lange hier, ohne mich anzurufen! Waren das alles leere Worte, wenn er mir sagte, wie sehr er mich vermißte? Was war aus seinen Versprechen geworden? Ich bemühte mich gar nicht erst zu verbergen, wie verletzt ich war. Sie sahen sich wieder an.
»Die Arbeit, die sich angesammelt hatte, ist mir ein wenig über den Kopf gewachsen«, fuhr Daddy fort. »Ich habe eine neue, ganz wunderbare Kreuzfahrt geplant. Genaugenommen«, sagte er und drehte sich zu Mildred um und nahm ihre Hand,
»war es Mildreds Idee, eine ausgezeichnete Idee.« Er wandte sich wieder an mich. »Wir werden Kreuzfahrten nach Alaska anbieten. Nach Alaska! Die Sommer dort sind wahrscheinlich die schönsten Sommer
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