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Dunkle Umarmung

Dunkle Umarmung

Titel: Dunkle Umarmung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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dem Spiegel. Als ich mein Spiegelbild betrachtete, überraschte mich meine Ähnlichkeit mit meiner Mutter. War das der Grund für Tonys Verhalten –
    war von Anfang an alles meine Schuld gewesen? Eine Zeitlang schämte ich mich bei diesem Gedanken; dann entschied ich, daß mich keine Schuld treffen konnte, was auch der wahre Grund für Tonys Verhalten sein mochte. Tony war erwachsen
    – und er war mein Stiefvater!
    Ich bürstete mir das Haar, bis es schimmerte, und dann band ich es mit einer blaßrosa Schleife zurück, weil ich wußte, daß ich Daddy so besonders gut gefiel. Ich trug einen Hauch von Lippenstift auf und entschied mich für einen hellblauen Rock und eine dazu passende Bluse, beides aus einem schönen, leichten und luftigen Stoff. Ich steckte mir die Perlenohrringe an, die Daddy mir einmal mitgebracht hatte.
    Als ich mich im Spiegel ansah, hoffte ich, daß ich ihm erwachsener vorkommen würde. Das war wichtig, denn ich wollte ihm alles erzählen, was geschehen war, und vor allem wollte ich mit ihm über mein Modellstehen für die Puppe sprechen. Ich hegte insgeheim die Hoffnung, er würde mich bitten, bei ihm zu bleiben. Wenn es mir doch bloß gelingen würde, ihm zu zeigen, daß ich jetzt alt genug war, um allein zurechtzukommen. Er mußte einsehen, wie notwendig es für mich war, von Mama und Tony fortzukommen. Das einzige, was mir leid tat, war, daß ich dann den kleinen Troy nicht mehr sehen konnte, aber ich mußte es tun.
    Als wir von Farthy fortfuhren und unter dem großen Bogen durchkamen, pochte mein Herz voller Vorfreude. Wie Daddy wohl aussah? Ob er seinen Vollbart wohl noch trug? Ich konnte es nicht erwarten, sein Rasierwasser und den Geruch seines Pfeifentabaks einzuatmen, mich von ihm umarmen und gegen sein Tweedjackett pressen zu lassen, während er Küsse auf mein Haar und meine Stirn regnen ließ. Ich brauchte ihn so sehr, daß ich keinen Moment lang an die Wahrheit dachte.
    Nichts schien ferner zu liegen als die Tatsache, daß er in Wirklichkeit gar nicht mein Vater war.
    Als wir das Hotel erreicht hatten, bat ich an der Rezeption, Daddy zu verständigen und ihm zu sagen, daß ich da war. Ich wollte mich in Daddys Arme werfen und ihn so fest wie möglich an mich drücken, sowie er herunterkam. Ich stand da und wartete und schaute auf die Anzeige, die das Stockwerk aufleuchten ließ, in dem sich der Aufzug gerade befand. Ich beobachtete, daß einer der Aufzüge nach unten fuhr… fünf, vier, drei zwei… die Türen öffneten sich, und Daddy trat heraus, aber ich lief nicht auf ihn zu, wie ich es vorgehabt hatte.
    Er hielt eine Frau an der Hand. Es war eine dünne Frau mit grauschwarzem Haar, das gerade bis über ihre Ohren reichte, und sie war sehr groß, so groß wie mein Vater. Sie trug ein dunkelblaues Wollkostüm und Schuhe mit breiten Absätzen.
    Daddy lächelte mich an, aber er ließ die Hand der Frau nicht los. Sie lächelte auch, und beide kamen auf mich zu. Ich wartete mit pochendem Herzen. Das mußte die Frau sein, von der er mir geschrieben hatte.
    »Leigh«, sagte Daddy und breitete endlich seine Arme aus.
    Ich umarmte ihn, hielt ihn aber nicht fest. Statt dessen trat ich rasch zurück und sah mir Mildred Pierce genauer an. Ganz im Gegensatz zu Mama hatte sie blasse Haut, ein kantiges, ausgeprägtes Gesicht und tiefe, dunkle Augen. Ihre dünnen Lippen sahen aus, als würden sie sich dehnen wie Gummibänder, wenn sie lächelte. Daddy ließ seine Hände auf meinen Schultern liegen.
    »Du siehst erwachsener aus, und du bist schöner denn je«, sagte Daddy.
    »Danke, Daddy«, erwiderte ich. Das waren die Worte, die ich hören wollte, auf die ich gewartet hatte, aber im Moment zählten sie so gut wie gar nicht. Ich starrte immer noch die Frau an, die neben ihm stand.
    »Leigh, das ist Mildred«, erklärte Daddy.
    »Hallo, Leigh. Ich habe schon viel von dir gehört. Ich konnte es kaum erwarten, dich endlich kennenzulernen«, sagte sie und streckte mir ihre Hand entgegen. Sie hatte lange, dünne Finger, und ihre Hände waren nicht annähernd so zart und feminin wie die meiner Mutter.
    »Hallo«, sagte ich. Ich drückte ihr kurz die Hand.
    »Hast du Hunger?« fragte mein Vater. »Ich habe hier im Hotel einen Tisch für uns reservieren lassen. Ich dachte, daß das am günstigsten wäre. Oder genaugenommen«, sagte er und nahm wieder Mildreds Hand, »war das Mildreds Idee. Sie ist ausgezeichnet im Planen und in der Organisation.«
    »O Cleave. Ich tue doch nur, was mir praktisch

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