Dunkle Umarmung
könnte das auch nur tun, wenn ich ihn liebe und er mich liebt.«
Jennifer nickte und wirkte ein wenig schuldbewußt. »Ich mag ihn sehr«, gab sie zu. Ich hatte den Verdacht, daß mehr an der Geschichte dran sein könnte.
»Was ist passiert?«
»Es hat mir gefallen, Leigh. Aber ich habe ihn dazu gebracht aufzuhören, als er zu weit gegangen ist. Doch wirklich«, betonte sie. »Darin besteht doch das Geheimnis – zu wissen, wann Schluß ist. Das hat mir Wendy Cooper gesagt, und Wendy muß es ja wissen. Sie geht jetzt schon seit fast einem Jahr fest mit Randolph Hampton, und Randolph ist beinah siebzehn!« Einen Moment lang schwiegen wir beide, und dann sagte Jennifer: »Aber das Aufhören fällt schwer, Leigh. Es passieren Sachen in dir, und du mußt dich gegen deinen eigenen Körper wehren. Du wirst es ja sehen, wenn es dir passiert.«
Ich dachte daran, wie ich unter Tonys Berührungen gebebt und Empfindungen erlebt hatte, die ich bis dahin nicht gekannt hatte. Aber in erster Linie war es mir peinlich gewesen. Ich fragte mich, ob mich diese Dinge immer in Verlegenheit bringen würden, selbst dann, wenn ich sie mit dem Mann tat, den ich liebte.
Jennifer hatte mich wirklich überrascht. Von allen Mädchen im »Privatclub« war sie diejenige, von der ich am wenigsten erwartet hätte, daß sie solche Dinge mit einem Jungen tat.
»O Leigh, es ist so schön, wieder mit dir zusammen zu sein und jemanden zu haben, mit dem ich reden kann. Ich hasse meine Mutter inzwischen, und ich kann über nichts mehr mit ihr reden, was mir wichtig ist. Haßt du deinen Vater?«
»Ich weiß es nicht«, sagte ich. Ich wußte es wirklich nicht.
»Manchmal hasse ich ihn, und dann tut er mir wieder leid. Es ist alles so verwirrend, daß ich gar nicht mehr darüber nachdenken will.«
Ich wünschte ihr eine gute Nacht und drehte mich um, weil ich schlafen wollte, aber Jennifers Geständnisse hatten meine Erinnerungen an Tonys Berührungen wieder entzündet. Ich brachte meine gesamte Konzentration auf, um die Bilder aus meinem Kopf zu vertreiben, und schließlich schlief ich doch.
Am nächsten Morgen brach reges Leben und Trubel in den Schlafzimmern von Winterhaven aus. Alle sahen dem Beginn der Kurse eines neuen Schuljahres aufgeregt entgegen.
Der »Privatclub« versammelte sich wie immer auf dem Weg zu den Schulzimmern. Marie Johnson mußte jetzt jeden Moment eintreffen, und wir freuten uns schon auf ihre Ankunft. Und alle redeten über die bevorstehende Tanzveranstaltung mit den Jungen von Allandale. Es war schon immer üblich gewesen, das neue Schuljahr mit einer solchen Veranstaltung zu beginnen. Ich freute mich, daß ich dabeisein konnte. In erster Linie drehten sich die Diskussionen natürlich darum, was wir anziehen würden.
Als wir gerade in die Eingangshalle kamen, stürmte Marie herein. Ihr Chauffeur folgte ihr auf den Fersen und mühte sich mit ihrem Gepäck ab. Sie hatte Ohrringe an, die so groß wie Eiswürfel waren, und sie hatte die Augenbrauen gezupft und trug Lidschatten. Sie steckte in einem weißen Tennispullover aus reiner Baumwolle, einer dazu passenden Baumwollbluse und einem langen, weiten dunkelblauen Rock.
»Jeunes filles«, rief sie. »Comment allez-vous?«
»Marie!«
Alle eilten ihr entgegen, um sie zu begrüßen.
»Ich kann einfach nicht glauben, daß ich wieder hier bin«, sagte sie und schaute sich mit einem angewiderten Ausdruck um. »Und seht euch bloß an. Die Rattenhorde.« Dann lachte sie. »Ihr habt mir gefehlt, jede einzelne von euch.«
Sie umarmte uns der Reihe nach.
»Heute abend seid ihr alle in mein Zimmer eingeladen. Ich habe jeder von euch eine Kleinigkeit mitgebracht, und ich werde euch in allen Einzelheiten von meinem Sommer in Paris erzählen… vor allem von den Männern.«
»Männer!« rief Toby aus.
»Na ja, junge Männer«, sagte sie und bedeutete ihrem Chauffeur, er solle ihr folgen.
Ich ging mit meinen Freundinnen zum Unterricht.
Plötzlich war nichts anderes mehr so aufregend wie die bevorstehende Tanzveranstaltung mit den Jungen von Allandale. Jennifer telefonierte sogar mit William und rief mich zu sich, damit ich Williams Zimmergenossen Joshua begrüßen konnte. Ich wollte es nicht tun, aber sie bettelte und flehte mich an, bis ich nachgab. Dann reichte sie mir den Hörer. Ich sah sie finster an.
»Hallo«, sagte ich, und diese tiefe, sanfte Stimme antwortete.
»Hallo.« Es entstand eine lange Pause, ehe er weitersprach.
»Irgendwie ist das Ganze ein bißchen
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