Dunkle Umarmung
Weihnachtsferien mit ihm und Mildred verbringen würde.
Jennifers Mutter hatte ebenfalls wieder geheiratet, und Jen war genauso unglücklich darüber wie ich über die neue Ehe meines Vaters. Sie wartete schon, als ich mit Miles ankam. Sie lief auf den Wagen zu, und wir umarmten und küßten uns und redeten so schnell und so viel, daß wir hinterher beide heiser waren. Sie half mir beim Auspacken, und dann zogen wir los, um die anderen Mädchen zu treffen. Alle außer Marie waren schon angekommen. Sie sollte erst einen Tag später direkt aus Paris eintreffen.
An jenem ersten Abend nach unserer Rückkehr saßen Jennifer und ich bis in die frühen Morgenstunden in unseren Betten und redeten miteinander. Schließlich erzählte ich ihr von meinen Erlebnissen als Modell. Als ich ihr beschrieb, wie ich mich das erste Mal ausgezogen hatte und Tony allmählich das Laken von meinem Körper gezogen hatte, wurde sie still, und als sie etwas sagte, hatte sie die Stimme zu einem Flüsterton gesenkt.
»Aber er sieht so jung aus«, sagte sie. »Ich weiß nicht, ob ich das gekonnt hätte. Wie konntest du das tun?«
»Ich weiß es nicht. Meine Mutter hat mich dazu überredet«, sagte ich zu ihr. »Du weißt ja, daß sie Künstlerin ist, und Künstler denken sich nicht viel bei solchen Dingen«, erklärte ich. Ich erzählte ihr nicht von Tonys Methode, mich erst zu berühren, ehe er mich gemalt oder den Ton geformt hatte.
Dieses Geständnis konnte ich einfach nicht über mich bringen.
Aber selbst so schon reichte das, was ich beschrieb.
»Du mußt mir versprechen, niemandem im ›Privatclub‹ etwas davon zu erzählen, Jennifer. Ich will nicht, daß die anderen alle Einzelheiten erfahren. Sollen sie doch glauben, der Körper der Puppe sei Tonys Phantasie entsprungen. Sie werden ohnehin lachen, wenn sie sie sehen.«
»Warum?« fragte sie sofort.
»Weil der Körper älter aussieht als ich, viel reifer. Vor allem hier«, sagte ich und deutete auf meinen Busen.
»Warum hat er das getan?« fragte Jennifer mit weit aufgerissenen Augen.
»Ich weiß es nicht. Ich verstehe die Männer nicht, weder meinen Vater noch irgendeinen anderen Mann.«
Jennifer verstummte. Ich dachte, daß sie wohl in Gedanken bei ihrem eigenen Vater war, aber sie überraschte mich.
»In der letzten Ferienwoche habe ich einen Jungen kennengelernt«, sagte sie, »und wir sind zweimal miteinander ausgegangen.«
»Jennifer Longstone, davon hast du mir in deinen Briefen und bei deinen Anrufen kein Wort berichtet«, tadelte ich und setzte mich auf. »Was für einen Jungen? Wie ist er? Wie alt ist er?«
»Es ist alles so schnell passiert, daß ich gar nicht dazu gekommen bin, es dir zu erzählen, und außerdem wollte ich auch keinen großen Wirbel darum machen, solange ich nicht sicher war, ob er mich auch wirklich mag. Er heißt William Matthews. Er ist sechzehn und Schüler in Allandale. Er ist am kommenden Wochenende zu der Tanzveranstaltung hier.
Meinst du, du kannst auch dabeisein?«
»Ja. Meine Mutter hat erlaubt, daß ich jedes zweite Wochenende hierbleiben darf.«
»Oh, das ist ja wunderbar, denn Williams Zimmergenosse kommt auch mit, und als ich William von dir erzählt habe, hat er gesagt, ihr beide, sein Zimmergenosse und du, würdet phantastisch zusammenpassen.«
»Jennifer, das ist doch nicht dein Ernst. Was hast du ihm erzählt?«
»Nur die Wahrheit… daß du schön und klug bist und daß es Spaß macht, mit dir zusammen zu sein.«
»O Jennifer!«
»Keine Sorge, das ist schon in Ordnung. Ich habe ja nichts versprochen. Das täte ich nicht, ohne vorher mit dir zu reden.
Williams Zimmergenosse heißt Joshua John Bennington.
William sagt, er ist sehr schüchtern, aber er sieht sehr gut aus und ist einer der gescheitesten Jungen von Allandale. Und außerdem ist er sehr reich.«
»Das klingt, als wolltest du mich verkuppeln. Seit wann weißt du so gut Bescheid über Jungen, Jennifer Longstone?«
»Seit ebendieser Woche«, flüsterte sie, und dann erzählte sie mir von ihren beiden Verabredungen mit William; das zweite Mal hatten sie sich bei ihr zu Hause getroffen und waren dort allein miteinander gewesen.
»Er hat mich geküßt, Leigh«, gestand sie. »Es war das erste Mal, daß ich mich von einem Jungen habe anfassen lassen.
Hast du dich je von einem Jungen anfassen lassen, Leigh?«
fragte sie.
Ich dachte wieder an Tonys Hände, aber ich schämte mich immer noch, ihr davon zu erzählen.
»Nein«, log ich eilig. »Ich glaube, ich
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