Dunkle Umarmung
sie zu Dutzenden ihre Bestellungen aufgegeben. Tony war ganz begeistert, und an den Wochenenden, die ich in Farthy verbrachte, hatte er mir viel Neues zu zeigen und über das Projekt zu berichten.
Im Lauf der Wintermonate unternahm er einige Reisen und fand neue Absatzmärkte für die Puppen in Kanada, Frankreich, England, Spanien und Italien. Er war froh über den Erfolg.
Mama begleitete ihn nur auf einer seiner Reisen – nämlich nach St. Moritz.
Unglücklicherweise war das die Woche, in der die Schule das Theaterstück aufführte. Ich hatte eine größere Rolle, doch weder Mama noch Tony konnten kommen. Insgeheim hatte ich gehofft, daß Daddy vielleicht Zeit hatte, aber er kam nicht.
Eine Woche nach der Aufführung des Theaterstücks traf ein Brief ein, in dem er sich ausführlich entschuldigte.
Schon im Frühjahr brachten die Porträtpuppen dem Tatterton-Unternehmen viele Millionen ein. Tony bedankte sich immer wieder bei mir, weil ich das erste Modell gewesen war. Er sagte mir, daß er einen Teil der Gewinne in einem Treuhandfonds für mich anlegte. Mama fand das alles wunderbar und wies mich noch einmal darauf hin, wie albern ich gewesen war, damals zu zögern, als er mich als Modell haben wollte.
»Tony hat dich zu einem Star gemacht«, sagte sie zu mir. »Ist das nicht sensationell?«
Ich vermutete, daß sie recht hatte. Alle anderen Mädchen in der Schule beneideten mich, ich besaß selbst eine wunderschöne Puppe, und noch dazu verdiente ich ein Vermögen damit. Jetzt zeigte sich, daß Tony doch ein rücksichtsvoller Mensch mit lauteren Absichten war, dachte ich, und alles Negative, was ich ihm gegenüber empfunden hatte, verflog, auch die Erinnerung an die Dinge, die er gesagt und getan hatte und die mich erschreckt hatten. Die Welt, die nach der Scheidung meiner Eltern grau und trostlos geworden war, hellte sich wieder auf. Die Sonne war durch die Wolken gebrochen. Ich hatte Freundinnen, einen Freund, ein faszinierendes Zuhause und alles, was sich ein Mädchen in meinem Alter nur hätte wünschen können.
Für Mama sah das ganz anders aus. Trotz ihres enormen Reichtums und obwohl sie jetzt mit einem gutaussehenden, gescheiten und wohlhabenden Geschäftsmann verheiratet war, klagte sie ständig über irgend etwas. Sie regte sich immer noch über ihr Gesicht und Unvollkommenheiten ihres Äußeren auf.
Ende Mai kündigte sie schließlich an, sie würde zu einer
»Wunderkur«, über die sie von ihren reichen Freundinnen gehört hatte, in die Schweiz reisen. Sie wollte mindestens einen Monat dableiben. Für mich war das Beste daran, daß sie sagte, ich könne bis zum Ende des Schuljahrs durchgehend in Winterhaven bleiben.
Sie reiste in der letzten Maiwoche ab. Zwei Wochen später endete mein zweites Jahr in Winterhaven. Joshua, William, Jennifer und ich schmiedeten alle erdenklichen Pläne für den Sommer. Ich hoffte, daß es mir möglich war, wenigstens die Hälfte der Unternehmungen mitzumachen. Ich wollte sie gleich am Anfang der Ferien für ein Wochenende nach Farthy einladen, aber als ich mit Tony darüber sprach, meinte er, es sei besser, die Rückkehr meiner Mutter abzuwarten, bevor ich irgendwo hinfuhr oder Freunde zu mir einlud.
Das war unsere erste Auseinandersetzung, die sogar den kleinen Troy aus der Fassung brachte.
»Ich bin doch kein kleines Mädchen, Tony. Ich brauche doch nicht für alles, was ich tue, die Zustimmung meiner Mutter«, beklagte ich mich.
»Nein, aber schließlich wird es nicht mehr allzu lange dauern, bis sie zurückkommt, und es wäre besser, wenn sie solche Dinge entscheidet«, versuchte er mich zu besänftigen.
»Warum? Es geht doch nicht um eine größere Entscheidung, die mein weiteres Leben beeinflußt. Ich möchte lediglich ein paar Freunde übers Wochenende hierhaben. Du kannst nicht behaupten, wir hätten zu wenig Platz oder könnten uns diese Ausgaben nicht leisten«, beharrte ich.
»Natürlich haben wir genug Platz, und natürlich können wir uns Gäste leisten. Aber du bist immer noch minderjährig, und die Entscheidungen darüber, wohin du gehst und wen du einlädst, müssen von einem Erziehungsberechtigten getroffen werden«, erwiderte er. »Und wenn ich noch dazu bedenke, was passiert ist, als du ein einziges Mal mit einem jungen Burschen allein warst… ich müßte meine gesamte Zeit als Anstandsdame zubringen und…«
»Das ist ungerecht«, protestierte ich.
»Dennoch ist es eine enorme Verantwortung. Mir wäre wesentlich wohler zumute, wenn
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