Dunkle Umarmung
Spieldose. Nachdem ich sie aufgezogen und auf den Tisch gestellt hatte, bewegte sich die Tänzerin zur Nußknackersuite.
Daddys Geburtstagskarte lautete: »Mildred und ich haben etwas Schönes für eine junge Schönheit gefunden. Alles Gute zum Geburtstag.«
Ich lehnte mich zurück und sah der Puppe beim Tanzen zu, während ich an andere Geburtstagsgeschenke und andere Geburtstage dachte, vor allem an den letzten, zu dem Daddy mir dieses Tagebuch geschenkt hatte. Damals war ich so glücklich gewesen, und ich hatte nichts von diesem Sturm an Unglück und Traurigkeit geahnt, der seither über mich hereingebrochen war.
Plötzlich wurde ich aus meiner Träumerei gerissen, als Tony in der Tür zu meinem Wohnzimmer stand. Ich hatte den Eindruck, daß er schon eine ganze Zeitlang dort gestanden und mich betrachtet hatte.
»Was ist das?« fragte er.
»Ein Geschenk von meinem Vater«, erwiderte ich und starrte ihn an. Er sah anders aus als sonst. Sein gewöhnlich so ordentlich frisiertes Haar wirkte zerzaust. Sein Gesicht war gerötet, seine Jacke stand offen, seine Krawatte war gelockert.
»Das ist sehr hübsch«, meinte er. »Ein Import?«
»Ich denke, ja.«
Er nahm es in die Hände und drehte es um. »Ja, es ist in Holland hergestellt worden. Auf meinen Reisen habe ich viele solcher Spieldosen gesehen.« Er stellte sie wieder hin. »Deine Mutter hat wirklich eine tolle Party organisiert, was?« fragte er lächelnd. Ich merkte, daß er sich bemühte, freundlich zu sein, und sich normal mit mir unterhalten wollte, aber ich war immer noch wütend darüber, wie er ins Haus gestürzt und über Joshua und mich hergefallen war.
»Ja«, sagte ich. Ich verpackte die Spieldose wieder in ihrer Schachtel und stand auf. »Also dann, gute Nacht. Das werde ich in meinem Schlafzimmer aufstellen«, erklärte ich und ging.
Ich rechnete damit, daß er verschwinden würde, aber er folgte mir.
»Leigh, es tut mir leid, daß ich euch in dem Häuschen erschreckt habe, aber ich habe euch beide in den Irrgarten gehen sehen und bin euch gefolgt, weil ich neugierig war, weshalb du deine Gäste allein läßt.«
»Ich wollte Joshua nur ein wenig im Park herumführen«, erwiderte ich.
»Das ist verständlich, aber du hättest nicht allein mit einem Jungen hingehen dürfen.«
»Ich wollte niemanden sonst zu dem Häuschen mitnehmen«, gestand ich und drehte mich zu ihm um.
»Leigh, ich weiß selbst, daß ich nicht dein richtiger Vater bin.« Tony trat näher. »Aber du bist ein junges Mädchen. Bis jetzt bist du behütet aufgewachsen, und junge Männer mit weit mehr Erfahrung können ein Mädchen wie dich ausnutzen.
Glaube mir, ich weiß Bescheid in diesen Dingen.«
»Joshua ist keiner von der Sorte«, versetzte ich zornig.
»Das mag sein, aber trotzdem solltest du aufpassen. Ich hätte kein gutes Gefühl, wenn ich wüßte… es käme mir einfach nicht richtig vor, wenn ich dich nicht warnen würde. Du solltest meine Ratschläge beherzigen. Wie ich dir in dem Häuschen schon gesagt habe, braucht deine Mutter kein Wort davon zu erfahren. Die Sache bleibt ganz zwischen dir und mir.«
Er kam auf mich zu, bis er die Arme ausstrecken und seine Hände auf meine Schultern legen konnte.
»Ich möchte eine ganz besondere Beziehung zu dir haben, und ich möchte, daß zwischen uns immer etwas ganz Besonderes bestehen bleibt«, raunte er und verschlang mich mit seinen Blicken. Seine Finger gruben sich in meine Schultern, bis es weh tat.
»Tony.« Ich schnitt eine Grimasse, aber er hielt mich fest.
»Deine Mutter«, flüsterte er, »will sogar, daß ich ihr helfe, und sie erwartet von mir, daß ich diese Verantwortung übernehme. Es überfordert sie, sich um ein junges Mädchen zu kümmern. Mir macht das nichts aus. Du bist zu schön und einmalig, als daß ich es fertigbrächte mich nicht um dich zu sorgen und dich nicht zu beschützen, so gut ich kann. Bitte wehre dich nicht dagegen.«
»Ich weiß zu schätzen, was du für mich tun willst, Tony.
Danke«, entgegnete ich. Ich wollte diese Unterhaltung beenden. Sein Blick war glühend, und seine Finger klammerten sich noch fester um meine Schultern.
»Ich weiß schließlich, was in einem Mann vorgeht, vor allem in einem jungen Mann, wenn er dich küßt und seine Hände so auf deine Schultern legt«, sagte er. Seine Finger lockerten sich und strichen über meine Arme. Er lächelte. »Dir ist nicht klar, was für eine Macht du über einen Mann haben kannst.«
»Macht?« Wovon redete er? Warum
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