Dunkle Umarmung
und lugte durch den Spalt über der unteren Kante des Fensterrahmens. Tony hielt sich nicht im Raum auf, aber das Gemälde, das ich entdeckt hatte, als ich Joshua in das Häuschen mitgenommen hatte, stand dort.
Ich schnappte nach Luft, als ich sah, daß Tony an dem Gemälde weitergearbeitet hatte.
Er hatte sich selbst gemalt, wie er nackt neben der weiblichen Gestalt lag, in der sich so viel typische Merkmale meiner Mutter mit meinen Zügen verbanden. Warum hatte er das getan? Was hatte das bloß zu bedeuten?
Ehe ich aufstehen und fortlaufen konnte, tauchte er aus der Küche auf.
Ich schnappte wieder nach Luft. Er war splitternackt!
Er blieb stehen und sah in meine Richtung. Ich spürte, wie mir Eiszapfen über den Nacken glitten, und einen Moment lang konnte ich mich nicht von der Stelle rühren. Hatte er mich entdeckt?
Ohne zu zögern, sprang ich auf und rannte, so schnell ich konnte, zum Gartentor, riß es auf und huschte, so schnell mich meine Füße trugen, durch die Gänge zwischen den Hecken.
17. KAPITEL
HARTE LEKTIONEN
Meine Aufregung und das schwache Licht der Dämmerung bewirkten, daß ich ein paarmal falsch abbog und schließlich mitten im Labyrinth im Kreis herumrannte. Schweißgebadet und in heller Panik blieb ich stehen, um Atem zu holen. Mein Herz schlug so heftig, daß ich glaubte, es würde unter dem Druck und der Anstrengung zerspringen. Ich holte mehrfach tief Luft und versuchte verzweifelt, mich zur Ruhe zu zwingen, damit ich klar denken und meinen Orientierungssinn wiederfinden konnte. Als ich mich zu weit zurücklehnte, verfing sich mein Haar in den Zweigen einer Hecke. Ich schrie, weil ich nicht wußte, wie mir geschah. Ich glaubte, jemand hätte mich gepackt. Als ich merkte, was passiert war, riß ich mich eilig los und rannte weiter, bis ich den Ausgang vor mir sah, der zu Farthy führte. Draußen blieb ich noch einmal stehen, um Atem zu holen und zu lauschen. Hatte Tony mich gesehen? Verfolgte er mich? Ich hörte keine Schritte, gar nichts.
Dennoch kehrte ich eilig ins Haus zurück und rannte die Stufen zu meinen Zimmern hinauf. Sobald ich eingetreten war, schloß ich die Tür hinter mir und lehnte mich mit dem Rücken dagegen. Hinter geschlossenen Lidern sah ich noch einmal dieses neue Gemälde. Tonys linke Hand bedeckte meine rechte Brust vollständig, und er sah lächelnd auf mich herunter. Seine himmelblauen Augen waren so leuchtend gemalt, daß sie aus dem Bild herausschienen wie Strahlen.
Dann sah ich ihn noch einmal vor mir, wie er nackt aus der Küche auftauchte. Ich vermutete, daß er sich ausgezogen hatte, weil er sein eigenes Modell war. Wahrscheinlich lehnte ein Spiegel an einer Wand, dachte ich.
Er hatte nicht nach mir gerufen oder sich eilig angezogen, um die Verfolgung aufzunehmen. Vielleicht hatte er mich doch nicht entdeckt. Ich entschloß mich, kein Wort darüber zu verlieren. Wenn meine Mutter zurückkam, wollte ich ihr alles erzählen. Derartige Dinge mußte sie erfahren.
Ich ging ins Badezimmer, um Wasser in die Wanne einlaufen zu lassen, schüttete Badeschaum hinein und sah zu, wie sich das Wasser leuchtendblau färbte, während mich der süßliche Duft wie Rauch einhüllte.
Ich trat vor meine Kommode und suchte mir ein Nachthemd aus. Nachdem ich es an die Badtür gehängt hatte, setzte ich mich vor die Frisierkommode und bürstete mir das Haar. Ein paar winzige Zweige und Blätter fielen auf den Tisch. Als ich in den Spiegel sah, stellte ich fest, daß mein Gesicht immer noch gerötet war und meine Wangen glühten, als sei ich geohrfeigt worden. Einen Moment lang lehnte ich mich benommen zurück. Dann fiel mir mein Badewasser wieder ein.
So schnell wie möglich zog ich meine Kleider aus und ließ mich in die warme, duftende, beruhigende Flüssigkeit sinken.
Sie umfing mich, und ich schloß die Augen, lehnte mich zurück und stöhnte vor Behagen.
Es könnte sein, daß ich ein paar Minuten lang im Wasser gedöst hatte. Ich weiß es nicht; ich hatte das Zeitgefühl verloren. Plötzlich schlug ich die Augen auf und merkte, daß sich das Badewasser beträchtlich abgekühlt hatte. Ich stand auf und trocknete mich ab. Dann zog ich mein Nachthemd an und glitt unter meine weiche Decke in die Geborgenheit und Wärme meines eigenen Bettes. Ich wollte nur noch schlafen und den ganzen Tag vergessen.
Als ich aus dem Fenster zu meiner Linken sah, entdeckte ich eine silbrige Mondsichel, die durch hauchdünne Wolken schimmerte. Darüber funkelte ein einziger heller
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