Dunkle Umarmung
Futter vorgesetzt hatte, füllte er große Eimer mit Wasser und stellte jedem Tier einen hin. Sie tauchten ihre Rüssel hinein. Es war ein komischer Anblick, und ich mußte unwillkürlich lachen.
»Sind das nicht wunderschöne Geschöpfe?« fragte mich Luke, als er fertig war. »Sie sind so groß und kräftig und doch so sanftmütig. Wenn die Menschen ihre Kräfte besäßen, würden sie nur ständig aufeinander einprügeln«, fügte er bitter hinzu. »Nun ja. Ich wasche mich schnell, und dann gehen wir in den Zirkus. Alles in Ordnung mit dir?«
»Ja, bestens«, sagte ich und drückte meinen weichen Teddybären immer noch an mich.
»Den kannst du auch bei deinem Koffer lassen«, sagte er.
»Wenn du willst.«
»Einverstanden.« Ich ging ins Zelt und legte das Stofftier zu meinem Koffer. Als ich wieder herauskam, sah ich Luke drüben an einem Wasserhahn stehen. Er hielt sich einen Schlauch über den Kopf und ließ sich das Wasser über Kopf und Oberkörper laufen. Er trocknete sich gründlich ab und kam dann zurück.
»Ich will mir nur noch schnell das Haar kämmen«, sagte er.
»Ich muß mich schon herrichten, wenn ich mit einer so schönen Frau zusammen bin.« Er lächelte zwar bei diesen Worten, aber ich merkte trotzdem, daß er es ernst meinte, und das ließ mein Herz schneller schlagen. Er ging ins Zelt und kam mit ordentlich frisiertem Haar wieder heraus. Es war so dicht und hatte diesen Ebenholzschimmer, daß ich am liebsten mit der Hand darüber gestrichen hätte.
»Bereit, Mylady?« fragte er und reichte mir seinen Arm.
»Ja.« Ich hängte mich bei ihm ein, und wir gingen zum Zirkuszelt. Wir konnten den Ausrufer hören, der die Menge in die nächste Vorstellung locken wollte, und Lukes Augen strahlten. Als wir uns in die Schlange stellten, die sich vor dem Einlaß gebildet hatte, spürte ich, wie die Spannung zunahm.
Kinder lachten aufgeregt, und auch ihre Eltern wirkten lebhaft und fröhlich in ihrer Vorfreude.
Der Kartenkontrolleur nickte Luke nur zu, und wir konnten hineingehen. Er zog mich zu den Plätzen, die er für die besten von allen hielt. Als wir saßen, kaufte er Erdnüsse und für mich eine Limonade, für sich ein Bier.
Ich wandte mich der Manege zu. Die Musik hatte eingesetzt, und die Clowns fielen herein. Sie ohrfeigten sich und stolperten übereinander, spritzten sich gegenseitig mit Wasserpistolen an und ließen sich Ballons, die mit Wasser gefüllt waren, auf die Köpfe fallen.
Während die Clowns noch miteinander spaßten, führte ein junges Mädchen, das gewiß nicht älter als ich war und ein goldenes Kostüm trug, auf dem bunte Pailletten in allen Farben glitzerten, auf einem Schwebebalken akrobatische Kunststücke vor, schlug Purzelbäume, stand auf den Händen oder auf dem Kopf, machte Saltos vorwärts und rückwärts und raubte dem Publikum den Atem. Der
Ansager kündigte eine
Zirkusnummer nach der anderen an: Jongleure, Zauberer, Parterreakrobaten.
Ein Trommelwirbel ertönte, und zwei gutaussehende Männer und eine wunderschöne Frau kamen mitten in das Zelt gelaufen, verbeugten sich und kletterten dann an Seilen unter die Zirkuskuppel. Mein Herz schlug vor Spannung schneller.
Wohin ich auch schaute, es gab überall etwas zu sehen. Als ich mich zu Luke umdrehte, merkte ich, daß er mich die ganze Zeit anschaute.
»Es ist aufregend, nicht wahr?« sagte er. »Verstehst du jetzt, warum ich den Zirkus liebe?«
»O ja. Es ist wundervoll.«
»Das ist erst der Anfang«, meinte er. »Wir werden uns das Programm ganz ansehen.«
Er verschlang seine Finger mit den meinen und hielt sachte meine Hand. Ich hatte nichts dagegen – im Gegenteil, es war mir äußerst angenehm. Die Musik und das Gelächter, die spektakulären Auftritte und das ständige Plaudern über die einzelnen Nummern, der Applaus und die Spannung, die in der Luft hing, ließen Stunden zu Minuten und Minuten zu Sekunden werden. Ich verlor jedes Gefühl für Zeit und Raum.
Solange ich dort im Zirkus saß, dachte ich noch nicht einmal an meine Lage und daran, daß ich von zu Hause fortgelaufen war. Es war, als hätte die Welt aufgehört sich zu drehen.
In der Pause kauften wir Hamburger und Pommes frites in Tüten. Dann aßen wir Eis am Stiel mit Karamel und Mandelsplittern. Luke bezahlte ständig alles, obwohl ich ihm anbot, einen Teil meines Geldes dafür auszugeben.
»Du hast doch nur Zaubergeld«, lachte er. »Das wäre unfair.
Sobald du es den Verkäufern gibst, löst es sich in ihren Händen auf und
Weitere Kostenlose Bücher