Dunkle Umarmung
ihr dabei nicht im Weg stehen. Die Ironie des Schicksals ist, daß ich sie zu sehr liebe, um ihr im Weg zu stehen«, murmelte er. »Ich weiß, daß du das im Moment nicht verstehen kannst, aber später denkst du vielleicht einmal darüber nach, was ich dir heute gesagt habe, und dann verstehst du möglicherweise, warum ich jetzt sage, daß ich sie zu sehr liebe, um sie zurückzuhalten.«
»Aber, Daddy, was wird aus uns werden?« Ich war jetzt außer mir, in heller Panik, und mich wunderte, daß meine Stimme kein bißchen schrill klang. Was ich wirklich meinte, war: »Was wird aus mir?« Er verstand es.
»Du wirst bei deiner Mutter bleiben. Ihr werdet beide in unserem Haus leben, solange deine Mutter dort bleiben möchte.« Er unterbrach sich, seufzte und fuhr dann fort: »Ich habe jede Menge zu tun. Ich werde auch nur sehr kurz hierbleiben und dann die nächste Kreuzfahrt unternehmen, eine Erkundungsreise zu den Kanarischen Inseln. Ich muß mich nach neuen und fernen Orten umsehen, die meine Kundschaft anlocken, damit ich konkurrenzfähig bleibe.
Ich nehme an, in einem Punkt hat deine Mutter recht, Leigh –
ich hänge zu sehr an meinem Geschäft. Ich kann nicht untätig dasitzen und zusehen, wie es zugrunde geht«, gestand er.
»Ich will mit dir kommen, Daddy«, brachte ich mit einem erstickten Schluchzen heraus.
»Nun hör aber auf, Liebling. Das wäre unmöglich und auch ganz falsch. Du hast deine Schule und deine Freunde, und du solltest mit deiner Mutter in deinem eigenen Zuhause leben, in dem du dich wohl fühlst. Es besteht kein Anlaß zu finanziellen Sorgen, wenngleich deine Mutter das Geld auch so ausgibt, daß nie genug dasein kann«, fügte er trocken hinzu.
Es standen keine Tränen in Daddys Augen. Falls er geweint hatte, hatte er es allein hinter sich gebracht. Selbst jetzt hatte er seine Gefühle vollkommen unter Kontrolle, ganz im Gegensatz zu mir. Ich konnte erkennen, daß seine Romanze mit Mama aus und vorbei war, gestorben und auf einem Friedhof begraben, mitsamt den einst glücklichen Momenten und den guten Seiten. Er dachte schon an ganz andere Dinge. Das Begräbnis war vorbei.
Sein müdes Gesicht drückte eine solche Resignation aus, daß ein Blick auf ihn ausreichte, um die winzige Flamme der Hoffnung auszupusten, die ich noch in meinem Herzen bewahrt hatte. Mich schockierte, jetzt zu erfahren, daß die Liebe zwischen Mama und Daddy schon seit langem Stück für Stück allmählich abgestorben war. Aber als er mir das jetzt sagte, dachte ich zurück, und mir fielen wieder Dinge ein, die Mama über ihn gesagt hatte – und wie sie sie gesagt hatte.
Wenn ich jetzt an ihre Worte zurückdachte, hörte ich das Unglück und die Warnungen heraus, gegen die ich mich bislang beharrlich gesperrt hatte. Aber jetzt konnte ich mich nicht länger dagegen sperren.
»Daddy, werde ich dich denn nie wiedersehen?« fragte ich zaghaft. Meine Hände begannen so sehr zu zittern, daß ich sie falten und auf meinen Schoß pressen mußte.
»Aber gewiß wirst du mich wiedersehen. Diese Reise wird nur etwa einen Monat dauern, und dann komme ich vorbei.«
»Du kommst vorbei?« Die Worte klangen so albern, wenn sie aus dem Mund eines Vaters kamen. Er würde
»vorbeikommen«? In seinem eigenen Haus? Wie ein Besucher, ein Fremder? Und er würde an der Tür klingeln, die ihm von einem Butler geöffnet wurde, der ihn dann anmeldete?
»Und ich werde dich so oft wie möglich anrufen und dir schreiben«, beteuerte er. Er griff nach meiner Hand: »Du wirst jetzt sehr schnell erwachsen, Leigh. Du bist eine junge Frau und hast die Sorgen einer jungen Frau. Du brauchst deine Mutter, ihren Rat und ihre Gesellschaft jetzt mehr denn je. Du wirst dich immer mehr für Jungen interessieren, und sie werden sich immer mehr für dich interessieren.
Vielleicht hat deine Mutter in einer Hinsicht recht – ich sollte dich zu dem Zeitpunkt deiner Entwicklung nicht mit geschäftlichen und technischen Dingen belasten.«
»O nein, Daddy, das hat mich nie gestört. Es hat mir großen Spaß gemacht«, protestierte ich heftig.
»Ich weiß.« Er tätschelte meine Hand.
»O Daddy, ich will nicht, daß du fortgehst. Ich will nicht, daß du nur vorbeikommst«, schluchzte ich erstickt. Die Tränen strömten jetzt ungehindert über mein Gesicht. Sosehr ich mich auch bemühte, ich konnte das Schluchzen nicht unterdrücken.
Meine Schultern bebten. Endlich zog Daddy mich in seine Arme und hielt mich fester, als er mich je gehalten hatte, und er
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