Dunkle Umarmung
die Wunder der Medizin vertrauen«, zwitscherte sie, als sei das alles eine nette kleine Gutenachtgeschichte gewesen.
»Er ist immer noch sehr krank«, sagte Tony, »aber der kritische Punkt ist überschritten.«
»Gott sei Dank. Essen wir jetzt zu Abend? Ich bin ganz ausgehungert.«
Tony sah mich kurz an. Mama ertappte ihn dabei.
»Was ist?«
»Ich war mit Leigh im Leone, während wir auf Neuigkeiten über Troy gewartet haben«, gestand Tony.
»Ihr beide habt gegessen? Ohne mich?« rief sie entrüstet aus.
»Du warst doch zu Hause und…«
»Das macht ja nichts«, sagte sie, und die Enttäuschung wich von ihrem Gesicht. »Laß mir durch die Dienstboten einfach etwas Leichtes raufbringen«, zwitscherte sie, und ihre Stimmungen wechselten so schnell, daß mir schwindlig davon wurde. »Ich fühle mich eigentlich gar nicht in der Verfassung, runterzukommen und mich an den Tisch zu setzen. Es wird mich mindestens noch einen Tag kosten, bis ich wieder ganz in Ordnung bin«, sagte sie, und es klang, als sei sie diejenige, die im Krankenhaus gewesen war, und als wäre sie nicht gerade von einer wunderbaren Hochzeitsreise aus Europa zurückgekommen.
»Gut«, sagte Tony. Er ging zu ihr und beugte sich vor, um sie zu küssen, doch sie wich ihm aus, als könne er ihr Haar in Unordnung bringen. Das war etwas, was sie oft getan hatte, wenn Daddy versucht hatte, sie zu küssen. Tony schien verlegen zu sein.
»Ich bin immer noch sehr müde«, sagte sie ausweichend. Er nickte und verließ eilig das Zimmer.
Sowie er die Tür hinter sich geschlossen hatte, bedeutete Mama mir, näherzukommen.
»O Leigh, du kannst dir gar nicht vorstellen, wie schwierig alles gewesen ist.«
»Was denn?« Ich hatte keine Ahnung, wovon sie sprach.
»Diese Tage mit einem Mann zu verbringen, der so jung und kräftig wie Tony ist. Er braucht nie einen Mittagsschlaf, und er ist im Nu angezogen«, sagte sie gereizt und neidisch zugleich.
»Er muß eine besondere Gunst von dort oben erfahren haben.«
Sie zog die zarten Augenbrauen hoch und richtete ihren Blick ermattet gen Himmel.
»Dann hast du in deinen Flitterwochen keinen Spaß gehabt?«
fragte ich, um mir bestätigen zu lassen, was Tony mir bereits erzählt hatte.
»Ja und nein. Er ist so sportlich, und bei Anbruch der Dämmerung ist er schon auf und erwartet von mir, daß ich angezogen und zum Frühstück bereit bin; und wenn ich mich beklagt habe, war er außer sich. Kannst du dir eine solche Rücksichtslosigkeit vorstellen? Wie konnte er bloß von mir erwarten, daß ich mit ihm in den Frühstücksraum hinuntergehe, ohne ordentlich angekleidet und geschminkt zu sein? Ich habe ihn dann allein runtergeschickt und war wirklich froh, ihn los zu sein, damit ich mich zurechtmachen konnte, ohne daß er mir zusah. Er war immer schon mit dem Frühstück fertig und wollte aus dem Haus gehen, ehe ich auch nur halb soviel Zeit hatte, wie ich sie brauche, um mich fertigzumachen. Das war ihm lästig, aber ich habe ihm gesagt, er brauchte nicht auf mich zu warten. Ich habe ihm gesagt, er solle einfach vorausgehen und auf diesen kalten Bergen rauf und runter rutschen.
Man hätte meinen sollen, nach diesen anstrengenden Beschäftigungen sei er abends wenigstens erschöpft gewesen.
Aber nein… jeden Nachmittag ist er doch tatsächlich gestärkt und belebt zurückgekommen, und du kannst dir ja denken, was ein Mann, der so jung und so vital wie Tony ist, will.«
Sie sah den verständnislosen Blick auf meinem Gesicht und lächelte affektiert.
»Er liebt dich, als sei es das allerletzte Mal, und er vergewaltigt dich praktisch«, erklärte sie. Das Blut stieg in mein Gesicht, als ich hörte, daß sie so intime Dinge preisgab.
»Und wenn es endlich vorbei ist und du glaubst, jetzt könntest du in Ruhe zu Atem kommen, geht es schon wieder los. Ich bin mir wie ein Straßenmädchen vorgekommen.
Ja, sogar mitten in der Nacht hat er mich geweckt, mich aus meinem friedlichen, erholsamen Schlummer aufgeschreckt, und dann wollte er zudringlich werden. Es war ihm ganz egal, daß ich gar nicht richtig wach war. Er war wütend, weil ich nicht so reagiert habe, wie er es sich erhofft hat.
Nun, ich konnte es eben nicht. Und ich wollte es auch gar nicht. Ich denke gar nicht daran, meine Gesundheit und meine Schönheit zu opfern, um die animalischen Gelüste eines jungen Mannes zu befriedigen«, fügte sie entschieden hinzu.
Ich wußte nicht, was ich dazu sagen sollte. Mama stellte es so hin, als sei es eine
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