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Dunkle Umarmung

Dunkle Umarmung

Titel: Dunkle Umarmung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V.C. Andrews
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mich zu einer Art Schwester zu machen, daß ich in ihrer Vorstellung wirklich ihre Schwester und nicht ihre Tochter war. Sie würde nichts von allem tun, was andere Mütter taten; jedenfalls nicht, wenn es sich irgendwie vermeiden ließ. In dem Moment verabscheute ich sie, und ich verabscheute sie für alles zugleich – für den Schmerz und das Leiden, das sie Daddy und mir mit ihrer Scheidung zugefügt hatte, für ihren Egoismus und dafür, daß sie mich in all diesen Jahren belogen hatte. Ich war so wütend, daß ich lange nicht einschlafen konnte.
    Als ich die Augen aufschlug, fand ich Tony vor, der an meinem Bett stand und lächelnd auf mich heruntersah. Es machte ganz den Eindruck, als stünde er schon eine Weile dort.
    Ich hatte mich im Lauf der Nacht unruhig herumgewälzt, und meine Bettdecke hatte sich um meine Taille gewickelt. Der Ausschnitt meines Nachthemds war heruntergerutscht und legte meine Brüste fast vor seinen Augen frei.
    »Guten Morgen«, sagte er. »Ich wollte dich nicht erschrecken, aber heute morgen müssen wir pünktlich sein. Ich möchte in etwa einer Stunde aufbrechen, in Ordnung?«
    Ich nickte eilig und zog mir die Decke bis ans Kinn.
    »In zwanzig Minuten werde ich Miles raufschicken, damit er dein Gepäck holt. Wir sehen uns dann beim Frühstück«, sagte er und ging.
    Ich stand schnell auf, stellte mich unter die Dusche und zog mich an. Auf dem Weg zum Frühstück stellte ich fest, daß die Türen zu Mamas Suite noch fest verschlossen waren. Ich machte mir gar nicht erst die Mühe, zu ihr zu gehen, um mich zu verabschieden.
    11. KAPITEL

    WINTERHAVEN

    Es war ein sehr klarer Morgen, als wir nach Boston und zu meiner neuen Schule aufbrachen, doch als ich aus dem Haus trat, war die Luft so kalt, daß ich mir vorkam, als sei ich in einen Kühlschrank gestiegen. Die strahlende Sonne spiegelte sich auf dem festgefrorenen Schnee wider, und ich mußte die Augen zusammenkneifen. Tony lachte und reichte mir seine Sonnenbrille.
    »Hier, setz die auf. Ich habe noch eine andere im Wagen liegen«, sagte er.
    Auf dem Sitz lagen ein Wall Street Journal und ein dicker Ordner mit Papieren. »Im allgemeinen lese und arbeite ich auf dem Weg in die Stadt«, erklärte er. »Aber heute werde ich all das bleiben lassen, denn schließlich habe ich eine hübsche Begleiterin.«
    Ich wandte den Blick eilig ab. Ich wußte, daß er nett zu mir sein wollte, weil er gemerkt hatte, wie sehr es mich störte, daß Mama nicht mitkam, aber ich fühlte mich in dem Moment weder hübsch, noch war ich gut aufgelegt.
    »In Winterhaven wird es dir bestimmt gefallen«, sagte er, als Miles losfuhr. »Das Hauptgebäude war früher einmal eine Kirche, und der Glockenturm steht noch. Er läutet jede Stunde, und in der Abenddämmerung gibt es ein Glockenspiel.
    Sämtliche Gebäude haben Namen und bilden einen Halbkreis. Es gibt einen unterirdischen Gang, der die fünf Gebäude miteinander verbindet. Die Schülerinnen benutzen ihn, wenn der Schnee so hoch liegt, daß er einem das Laufen erschwert. Du wirst im Hauptgebäude untergebracht, der Beecham Hall. Dort sind die Schlafräume und die Speiseräume, und auch die Versammlungen werden dort abgehalten.«
    »Wenn es eine reine Mädchenschule ist, wie kommt es dann, daß du so viel darüber weißt, Tony?« fragte ich mit scharfer Stimme. Ich hatte nicht vor, meine Wut an ihm auszulassen, aber ich konnte mich nicht bremsen. Er lächelte und sah lange aus dem Fenster. Ich dachte schon, er würde es mir nicht erklären, doch dann wandte er sich wieder zu mir um, und seine Augen waren verhangen.
    »Ich kannte einmal ein Mädchen, das dort in die Schule gegangen ist«, erwiderte er mit sanfter Stimme.
    »Ach? War sie etwa deine Freundin?« fragte ich verdrossen.
    Er hörte entweder nicht, wie gereizt und sarkastisch mein Tonfall war, oder er zog es vor, darüber hinwegzusehen. Er lächelte noch breiter und nickte.
    »Ja. Sie war ein sehr, sehr hübsches, ganz reizendes Mädchen… fast schon wie ein Engel, fand ich. Sie war niemals unglücklich, aber sie hatte so viel Mitgefühl und Liebe in sich, daß sie weinte, wenn sie hörte, daß eine Maus in eine Falle gegangen ist.« Seine Augen wurden immer träumerischer, als die Erinnerungen an sie erwachten. »Sie hatte eine zarte Stimme und ein kleines herzförmiges Gesicht. Sie war kindlich, unschuldig und sehr zart. Wenn ich auch noch so traurig oder niedergeschlagen war – ich brauchte sie nur zu sehen, und wenige Momente später war ich

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