Dunkle Verführung: Roman (German Edition)
fragte sie. Ihr Vater wäre gestorben, wenn sie jemals so etwas getan hätte. Er hatte ihre Jobs immer sorgfältig unter die Lupe genommen und sichergestellt, dass sie zu seiner Karriere und sozialen Stellung passten.
Wren schluckte sein Essen hinunter. »Sie finden heutzutage überhaupt nicht viel.«
Sie wartete, dass er seine Antwort ausführte. Stattdessen aß er weiter. Marguerite runzelte die Stirn und forderte ihn auf, das näher zu erklären. »Warum finden sie nicht viel?«
»Das dürfte ihnen schwerfallen, denn meine Eltern sind tot.«
Ihr Herz verkrampfte sich bei dieser Antwort. »Alle beide?«
Er nickte.
»Seit wann?«
»Seit etwa zwanzig Jahren.«
Er war noch ein Baby gewesen, als sie gestorben waren. Wie schrecklich, seine Eltern nicht zu kennen. »Das tut mir leid.«
»Das muss es nicht. Tut es mir auch nicht.«
Ihr blieb der Mund offen stehen.
»Sie waren komplette Arschlöcher«, sagte er ruhig. »Keiner von beiden konnte mich leiden. Sie konnten mich noch nicht einmal ansehen, ohne dass sich ihre Lippen verächtlich verzogen. Meine Mutter sprach von mir nur als ›es‹.«
»O Gott, Wren … das ist schrecklich.«
Er zuckte die Schultern. »Man gewöhnt sich daran. Zum Glück war ich das einzige Kind. Wenn sie mehr Kinder gehabt hätten, bin ich sicher, sie hätten mich getötet.«
Die Lässigkeit in seinem Tonfall schockierte sie. »Jetzt machst du aber Witze, oder?«
Er antwortete nicht, aber der Ausdruck auf seinem Gesicht sagte ihr, dass er nicht scherzte. Wenn sie zornig auf ihren Vater war, dachte sie immer, er sei ein Drecksack, der sich nicht um sie kümmerte. Aber unter diesen Umständen erschien er auf einmal wie der »Vater des Jahres«.
»Wenn deine Eltern gestorben sind, als du so klein warst, wer hat dich dann aufgezogen?«
»Ich habe mich selber aufgezogen.«
»Ja, aber wer war dein Vormund?«
»Bill Laurens. Die Firma meines Vaters und die von Bill arbeiten schon ewig lang zusammen. Nachdem meine Eltern gestorben waren, brachte mich ein Mann hierher zu Bill, und er bezahlte Nicolette Peltier, damit ich bei ihr bleiben und im Sanctuary meinen Lebensunterhalt verdienen konnte.«
»Hattest du denn sonst keine Familie?«
»Keine richtige jedenfalls. Meine noch lebenden Verwandten wollen mich nicht in ihrer Nähe haben.«
Meinte er das ernst? »Warum nicht?«
»Ich bin nicht richtig.«
Ein Schauder lief ihr über den Rücken. Gab es da etwas über ihn, das sie wissen sollte? »Was meinst du damit, du bist nicht richtig?«
Er trank einen Schluck von seinem Shake, ehe er ihr antwortete. »Ich bin deformiert.«
Sie warf einen Blick auf ihn, während sie fuhr. Er wirkte auf sie ganz bestimmt nicht deformiert. Er sah völlig gesund aus. »Wie denn das?«
Er antwortete nicht, sondern packte einen weiteren Big Mac aus und biss hinein.
»Wren …«
»Frag mich nicht weiter, Maggie. Ich bin müde, ich bin hungrig, und ich habe Schmerzen. Wenn du mich wirklich kennen würdest, dann wüsstest du, dass es ein Wunder ist, dass ich hier sitze und dir nicht den Kopf abreiße, und das kannst du wörtlich nehmen. Ich will einfach nur nach Hause kommen, in Ordnung?«
»In Ordnung«, sagte sie, obwohl sie alles für eine Antwort gegeben hätte.
Sie schwiegen den Rest des Weges zum Sanctuary. Als sie auf den kleinen Parkplatz hinter dem Haus fuhr, hatte er fast alles aufgegessen.
Marguerite ging um den Wagen herum und half ihm, die Tüten zu tragen. Er führte sie zu einer roten Hintertür, wo sie auf den gleichen ärgerlich aussehenden Mann trafen, der gewollt hatte, dass Aimee Marguerite in der Bar ließ. »Sie darf nicht rein.«
»Geh aus dem Weg, Remi«, sagte Wren durch seine zusammengebissenen Zähne.
»Du kennst die Regeln.«
»Ja, ich kenne die Regeln. Nach dem Gesetz des Dschungels frisst der Tiger den Bären.«
Marguerite sah Aimee hinter Remi auftauchen. »Es ist in Ordnung, Remi, lass ihn durch.«
Remi warf ihr einen höhnischen Blick zu. »Bist du verrückt geworden?«
Aimee zog Remi zurück. »Kommt rein, Leute.«
Marguerite sagte nichts, als sie die Treppen zu Wrens Zimmer hinaufgingen.
»Worum ging es denn?«, fragte sie, als er die Tür geschlossen hatte.
»Lo will niemanden in ihrem Haus haben.«
»Oh, ich denke, dann sollte ich lieber gehen …«
»Bleib … bitte.«
Wren wusste, dass er sie nicht darum bitten konnte. Er brauchte Ruhe. Verdammt, er brauchte Pflege. Aber das alles zählte nicht. Er wollte einfach noch ein bisschen länger mit ihr
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