Dunkle Verführung: Roman (German Edition)
überrascht. Die zwei hatten sich gerade küssen wollen. Wenn irgendjemand anders als Wren sie mit Fang überrascht hätte, wäre Fang getötet oder zumindest sehr übel zugerichtet worden. Aber zum Glück für die beiden war es Wren völlig gleichgültig, mit wem Aimee das Bett teilte. Es ging ihn nichts an.
Sie nahm den Kamm vom Becken. »Soll ich dir helfen?«
Ein Teil von ihm wollte sie anknurren, sodass sie davoneilte, aber der andere Teil erkannte, dass es schön wäre, Hilfe zu bekommen. »Du kannst es ja mal versuchen«, murmelte er. »Aber ich glaube, es ist hoffnungslos.«
Er hatte länger als eine Stunde versucht, sein verfilztes Haar durchzukämmen, aber bisher hatte er es nicht geschafft, es hatte nur wehgetan.
Und das alles, weil er etwas wollte …
Er wollte das Unmögliche. Nur einen Augenblick lang wollte er die Hand einer Frau in seinem Haar fühlen, und es war nicht Aimee, nach deren Hand er sich verzehrte.
Er wollte Maggie.
Aimees Gesicht entspannte sich, als sie versuchte, den Kamm durch einen kleinen verfilzten Zopf zu ziehen. Das Ergebnis einiger Minuten bestand schließlich darin, dass sie den Kamm in der Mitte durchgebrochen hatte. Sie seufzte frustriert.
»Also, Wren, hier muss ein Spezialist ran. Ich könnte Margie anrufen, damit sie uns hilft. Verfilztes Haar auseinanderzukriegen, darin ist sie die Beste. Wenn das irgendjemand kann, dann sie.«
Aimee machte sich auf den Weg zur Tür. Wren hielt sie auf. »Warum bist du so nett zu mir?« Keiner der anderen Bären war je wirklich nett zu ihm gewesen. Die meisten tolerierten ihn lediglich.
Aber Aimee war immer liebenswürdig gewesen.
Sie lächelte ihn an. »Ich mag dich, Tigerjunges. Immer schon. Ich weiß, dass du nicht gefährlich bist … ich meine, ich weiß, dass du uns töten könntest, aber dass du für niemanden eine unbegründete Gefahr darstellst außer für dich selber.«
»Aber trotzdem hast du Angst vor mir.«
Ihre Augen wurden weich, als sie ihn ansah. »Nein. Ich habe Angst um dich, Wren. Das ist ein großer Unterschied.«
Verwirrt runzelte er bei ihren Worten die Stirn.
Sie seufzte müde. »Du willst niemanden in deiner Nähe haben, Jungtier. Ich weiß, dass du Sachen machst, die unangemessen sind, damit dich die Leute in Ruhe lassen, und ich habe Angst davor, was du eines Tages anstellen wirst und was die anderen hier dazu bringen könnte, sich für immer gegen dich zu entscheiden.«
Sie schaute zu Marvin, der sie betrachtete, als ob er jedes Wort verstünde und ihr zustimmte. »Ich weiß, dass deine Leute wild sind. Ich weiß, dass Bill dich hergeschickt hat, damit der Clan deines Vaters dich nicht töten konnte, weil du noch zu jung warst, um dich selbst zu verteidigen. Glaub mir oder glaub mir nicht, ich will nicht, dass du verletzt wirst. Jeder verdient seinen Anteil von Glück im Leben – auch Tiger.«
Diese Worte rührten ihn tief. Kein Wunder, dass der Wolf sich von ihr so stark angezogen fühlte. Für eine Bärin hatte sie ein gutes Herz. »Danke, Aimee.«
Sie nickte und ging. Marvin schnatterte Wren erneut an, als der wieder versuchte, sein Haar zu entwirren. Der Affe verstand nicht, warum Wren versuchte, sich zu verändern. Für Marvin ergab das keinen Sinn.
»Ich weiß«, sagte Wren zu ihm. »Aber ich will, dass sie mich berühren kann, ohne dass sie sich abgestoßen fühlt. Irgendwann findest du mal eine Marvina für dich, und dann verstehst du mich.«
»Mein Gott, Margeaux! Du musst dir mal anschauen, was draußen im Flur los ist!«
Marguerite packte gerade ihre Bücher in den Rucksack und sah zu Whitney hoch, deren Kurs drei Türen weiter stattfand. Sie runzelte die Stirn. »Was denn?«
»Der süßeste Typ auf dem ganzen Planeten, ich schwör’s dir, ich hab noch nie jemanden gesehen, der so scharf aussieht. Er ist bestimmt schwul. Kein Hetero-Mann sieht so zum Anbeißen aus.«
»Geht dir das nicht gewaltig auf die Nerven?«, fragte Tammy, die einen Platz weiter saß. »Dann solltest du Kunst als Hauptfach nehmen. Alles, was ich da im Grundstudium gesehen habe, waren Männer, die Ausschau nach anderen Männern hielten. Deswegen hab ich zu Jura gewechselt. Ich brauche einen Beruf, wo ich die Möglichkeit habe, einem Typen über den Weg zu laufen, der eine Frau sucht.«
Whitney sah Tammy verwundert an, weil sie ausnahmsweise mal etwas gesagt hatte, ohne dass man ihr vorher eine Frage gestellt hatte. Marguerite hingegen bewunderte die Gothic-Frau, die am Montagmorgen immer die
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