Dunkle Verführung: Roman (German Edition)
sie sich wieder einreihen und einander von Neuem bekämpfen.
Als ein solcher Ort anerkannt zu werden, ist nicht leicht, aber wenn es einmal geschehen ist, kann weder Mensch noch Tier je die Heiligkeit des Limanis entweihen. Nicht, ohne sich den Zorn sämtlicher Zweige sowohl der Arkadier als auch der Katagaria zuzuziehen.
Ein Heiligtum zu sein ist eine geheiligte Ehre – und es ist eine schwere Bürde. Friede ist immer das Ergebnis von Opfern. Und nur Wenige haben mehr geopfert als der Clan der Bären, der die Sanctuary Bar in New Orleans führt.
1
Genau wie im Leben lernt man auch beim Recht ständig aus Problemen …
Die Worte aus ihrem Lehrbuch schwirrten Marguerite D’Aubert Goudeau durch den Kopf und riefen die Erinnerung an die vertrauten Worte ihres Freundes und Studienkollegen Nick Gautier wach:
Jawohl, richtig. Das Leben ist ein Test, der die Seele aussaugt, und entweder überlebst du oder du versagst. Ich persönlich finde Versagen scheiße, also habe ich die Absicht, zu überleben und mich über die ganzen Loser totzulachen.
Sie verzog traurig lächelnd die Lippen, und bittersüßer Schmerz zerriss ihr das Herz. Sie dachte an Nick und seine sarkastische Sicht auf das Leben, die Liebe, den Tod und alle Dinge, die dazwischenlagen. Der Mann war in der Lage gewesen, sich so außerordentlich gut auszudrücken wie selten jemand.
Mein Gott, wie sehr sie ihn vermisste! Er hatte ihr fast so nahegestanden wie ein Bruder, und es gab keinen Tag, an dem sie seine Abwesenheit nicht bis in die Tiefe ihrer Seele spürte.
Sie konnte noch immer nicht glauben, dass er fort war. Dass man auf den Tag genau vor sechs Monaten seine Mutter, Cherise Gautier, abends ermordet in ihrer Wohnung in der Bourbon Street entdeckt hatte, während Nick auf geheimnisvolle Weise spurlos verschwunden war. Die Behörden waren davon überzeugt, dass Nick für den Tod seiner Mutter verantwortlich war.
Marguerite wusste es besser.
Niemand auf der Welt hatte seine Mutter mehr geliebt als Nick. Wenn Cherise Gautier tot war, dann war auch Nick tot. Niemand hätte ihr etwas antun können, ohne sich seinen Zorn zuzuziehen. Absolut niemand.
Marguerite war sich sicher, dass er denjenigen verfolgt hatte, der seine Mutter getötet hatte, und dabei selbst umgekommen war. Sehr wahrscheinlich lag er irgendwo auf dem Grund eines Sumpfes. Deshalb hatte ihn seitdem niemand mehr gesehen. Und diese Gewissheit brachte sie beinahe um. Nick war ein guter, treu sorgender Mensch gewesen, und für gewöhnlich ein witziger Bursche. Jemand, dem man vertrauen konnte.
In ihre förmliche, langweilige Welt, in der sie sich immer vergewissern musste, dass sie nichts Falsches sagte oder tat, hatte er frischen Wind und eine wunderbare Portion Realität gebracht. Deshalb sehnte sie sich so verzweifelt nach ihrem Freund zurück.
Nick hätte gesagt, ihr Leben sei im Grunde beschissen. Ihre Freunde waren oberflächlich, ihr Vater war neurotisch, und jedes Mal, wenn sie glaubte, einen Jungen gern zu haben, führte ihr Vater eine Untersuchung über seine Herkunft und seine gesamte Familie durch und sagte ihr dann, aus welchen Gründen er sozial inakzeptabel war. Oder, schlimmer noch, unter ihnen stand.
Sie hasste diesen Satz aus ganzem Herzen.
Du bist zu etwas Höherem berufen, Marguerite.
Ja, sie war dazu ausersehen, entweder in der Nervenklinik zu landen oder den Rest ihres Lebens allein zu verbringen, sodass sie ihren Vater oder ihre Familie in keiner Weise in Verlegenheit bringen konnte.
Sie seufzte, als sie auf ihr Jurabuch auf dem Tisch der Bücherei starrte, und fühlte, wie die vertrauten Tränen in ihren Augen brannten. Nick hatte es nie gefallen, in der Bibliothek zu arbeiten. Als er in ihrer Lerngruppe gewesen war, hatten sie sich vier Mal in der Woche in seine Wohnung gequetscht, um dort zu lernen.
Diese Zeit war jetzt vorbei, und sie war allein mit langweiligen, unsicheren Angebern, die sich nur dann besser fühlten, wenn sie andere kleinmachen konnten.
»Alles in Ordnung, Margeaux?«
Bei dieser Frage von Elise Lenora Berwick räusperte sich Marguerite. Elise war eine hochgewachsene, perfekt geformte Blondine. Und damit meinte Marguerite auch »geformt«. Mit vierundzwanzig Jahren hatte Elise schon sechs Schönheitsoperationen hinter sich, um die kleinen Unzulänglichkeiten ihres Körpers zu korrigieren. Auf der Highschool war Elise die wichtigste Debütantin von New Orleans gewesen, und jetzt war sie die amtierende Schönheitskönigin der Tulane
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