Dunkle Verführung: Roman (German Edition)
konnte.
Ihre Augen waren voller Leidenschaft und Besorgnis. Sie war zweifellos das schönste Geschöpf, das er je in seinem Leben gesehen hatte.
Eine Gruppe Schulkinder rannte an ihnen vorbei, sie lachten und schrien, als sie die beiden Tigermännchen sahen.
Wren beachtete die Kinder kaum. »Was hast du heute für Pläne?«
Sie hob die Schultern. »Ich habe noch nichts vor. Und was ist mit dir?«
»Ich habe heute frei.«
»Wirklich?«
Er nickte, dann grinste er sie an. »Willst du dich ausziehen?«
Marguerite lachte bei seinem Angebot und spürte, wie sie errötete. Aber die Wahrheit war, dass sie sich nichts mehr wünschte. »Ist das alles, was ich dir bedeute?«, fragte sie in neckendem Tonfall.
»Nein«, sagte er, und Ehrlichkeit brannte tief in seinen Augen. »Du bedeutest mir viel mehr als nur das.«
Beim Tonfall seiner Stimme schluckte sie, bei dem Ausdruck des Verlangens auf seinem Gesicht. Sie war völlig gefangen von ihm. Er ließ ihre Hände los, umfasste ihr Gesicht und drehte es zu sich. Marguerite schloss die Augen und wartete auf seinen Kuss.
Seine Lippen berührten ihre.
Bis ein Schrei die Luft zerriss.
»Hilfe! O Gott, schnell, ein Wärter! Schnell!«
Wren löste sich von Marguerite, als die Kinder anfingen zu schreien und Leute hektisch in alle Richtungen rannten.
»Was ist passiert?«, fragte sie.
Eine Frau kreischte nur einige Meter von ihnen entfernt. »Oh mein Gott, das Kind ist im Käfig bei den Tigern!«
»Sie werden ihn fressen!«
Marguerite konnte kaum atmen, als sie sich umdrehte und einen Jungen von etwa acht Jahren im Gehege sah. Vom Sturz hatte er ein blutiges Gesicht und zerrissene Kleidung, er weinte und schrie und versuchte, am Zaun hochzuklettern, aber die Brüstung aus Zement verhinderte das. Er plantschte durchs Wasser und erregte dadurch erst recht die Aufmerksamkeit der Tiger.
Schlimmer noch, die Tiger knurrten und fauchten, als sie von ihrem Gelände auf das Wasser zuliefen, das sie von dem Jungen trennte.
Plötzlich rannte Wren neben ihr los auf den hölzernen Zaun zu, der die Besucher vom Gitter fernhielt. Entsetzt sah sie, wie er über den Zaun in den Käfig sprang. Er landete in der Hocke, nicht weit von dem Jungen entfernt, auf einem der Zementblöcke, die kleine Inseln im Wasser bildeten. Seinen Kopf nach vorn geneigt, in seiner vertrauten wilden Haltung, erhob er sich langsam und drehte sich zu dem weinenden Kind um.
Sie hielt die Hand vor den Mund und erwartete, dass die Tiger angreifen würden.
Wren bewegte sich vorsichtig zu dem Kind hin, das sich offenbar bei dem Sturz verletzt hatte.
»Alles klar, Junge«, sagte Wren mit ruhiger Stimme, als er durch das Wasser zu dem Jungen watete. »Wie heißt du?«
»Johnny.«
Wren streckte sich, um ihn von dem Zementvorsprung zu heben, aber der Junge ließ nicht los.
»Vertrau mir, Johnny. Sie werden dir nichts tun. Ich werde es nicht zulassen.«
Johnny weinte, als er widerstrebend losließ. Wren hob ihn an die Brust und sah sich nach einer Möglichkeit um, wie er den Jungen in Sicherheit bringen konnte. Mit der Kraft seiner Tiernatur hätte er leicht hinauf auf die Besucherterrasse springen können, aber das hätte bei den Leuten, die ihm zusahen, ganz sicher den Verdacht hervorgerufen, dass er nicht ganz menschlich war.
Sie würden ohnehin einen Verdacht haben, denn er würde es aus dem Gehege herausschaffen, ohne dass er oder Johnny gebissen oder übel zugerichtet würden. Wren knirschte mit den Zähnen, als er merkte, dass einige Leute Fotos machten. Verdammt.
Er drehte sein Gesicht zur Seite und sah sich um. Der beste Weg hinaus führte durch ein Tor auf der Rückseite des Geheges, durch das die Wärter vermutlich die Tiger mit Futter versorgten. Wren bewegte sich darauf zu.
Rex und Zulu kamen näher und brüllten, um ihn zu warnen. Wren drehte sich um und starrte sie an. Sie wollten ihn angreifen, das konnte er spüren, doch sie waren verwirrt, weil er aussah wie ein Mensch, aber nach Tiger roch.
Er fauchte sie an.
Sie wichen zurück.
Johnny schrie.
»Psst«, sagte Wren ruhig. »Hab keine Angst. Das können sie riechen, und wenn du so riechst, dann wollen sie dich angreifen. Tu so, als seien sie einfach nur kleine Kätzchen.«
»Aber es sind doch Tiger.«
»Ich weiß. Tu so, als wärst du auch ein Tiger. Tu so, als könnten sie uns nicht sehen.«
Die Tränen des Jungen versiegten. »Na, du kleines Kätzchen, ja …«
Wren nickte. »Genau so, Johnny. Sei tapfer.«
Die Tiger kamen näher,
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