Dunkle Visionen
Zeichner fertigte ein verdammt gutes Phantombild des Mannes an.
Man griff einen Verdächtigen auf, der große Ähnlichkeit mit dem Phantombild hatte, und nahm ihn zum Verhör mit aufs Revier. In dem Glauben, dass die Polizei mehr gegen ihn in Händen hätte, als es tatsächlich der Fall war, brach er schließlich zusammen und gestand den Mord an Earl Peterson. Danach versprach Madison Jimmy, ihn jedes Mal anzurufen, wenn sie einen dieser seltsamen Träume hatte.
Aber als sie das nächste Mal einen solchen Traum hatte, war es weitaus persönlicher. Und es veränderte ihr Leben.
Madison machte einen glänzenden High School-Abschluss. Sie hatte vor, in Washington, D.C., Kriminologie zu studieren – genau wie Kyle, der kürzlich sein Examen gemacht hatte und jetzt fürs FBI arbeitete.
Kyle kam zu ihrer Abschlussfeier. Sie hatten sich in den vergangenen Jahren nicht viel gesehen; er lebte in Washington, und nach Lainies Tod hatte sich die „Familie“ mehr oder weniger in alle Winde zerstreut. Aber zu ihrer Abschlussfeier reiste er an, ebenso wie alle ihre anderen Halb- und Stiefgeschwister.
Er brachte seine frisch angetraute Ehefrau mit. Sie hieß Fallon, und sie passte in ihrer makellosen Schönheit perfekt zu Kyle. Er war hoch gewachsen, dunkel, muskulös und gut aussehend; sie war zierlich, blond, mit bernsteinfarbenen Augen, schlank, mit einer Wespentaille. Madison war überrascht, dass sie sich gewünscht hatte, Kyles Frau möge sich als ein blondes Dummchen herausstellen, doch sie war alles andere als das. Sie hatte ebenfalls gerade Examen gemacht und arbeitete jetzt für das Smithsonian Museum. Sie war reizend und charmant, und Madison musste – wenn auch widerwillig – zugeben, dass sie sie sehr mochte. Sie sagte sich, dass sie schon immer übertrieben kritisch gewesen war, was Kyles Freundinnen anbelangte, weil er ihr … Nein. Einfach weil er Kyle war. Und obwohl sie sich einzureden versuchte, dass sie ganz bestimmt nicht in ihn verknallt war, war sie es dennoch. Sie war eifersüchtig.
In dieser Nacht schlief sie zum ersten Mal mit Darryl Hart. Darryl war bis über beide Ohren verliebt in sie und hatte vor, auf dasselbe College zu gehen wie sie. Sie wurde von all ihren Freundinnen beneidet.
Er machte seine Sache sehr gut. Und obwohl es ein kleines bisschen wehtat, war es alles andere als schrecklich. Nur dass es nicht so war wie in den Büchern, die sie gelesen hatte, aber Darryl versicherte ihr, dass es für Frauen immer besser würde.
Das hoffte sie und versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie enttäuscht sie war. Darryl war unheimlich in Ordnung.
Sie ging die ersten drei Jahre auf dem College mit ihm.
Dann hatte sie … wieder einen Traum.
Sie hatte gewusst, dass Fallon ein Baby erwartete. Madison und Kyle wohnten relativ nah beieinander, sie in Georgetown, er am Stadtrand von Washington – aber sie ging ihm aus dem Weg. Sie und Darryl und Kyle und Fallon hatten sich ein paar Mal abends zum Essen getroffen, und alle hatten sich prächtig amüsiert – bis auf sie. Deshalb hatte sie dafür gesorgt, dass sich ein solches Treffen nicht wiederholte. Sie sagte sich, dass sie ein Biest war, eine schreckliche Person. Sie sollte sich für Kyle und Fallon freuen. Kyle war ihr Freund. Er hatte ihr durch die schlimmste Zeit ihres Lebens geholfen, deshalb war es ganz natürlich, dass sie sehr an ihm hing. Sie war nicht verliebt in ihn. Sie musste Darryl erst richtig zu schätzen lernen. Er war ausgeglichen. Er betete sie an und war unglaublich aufmerksam. Er sah gut aus und hatte einen Körper wie ein junger Gott. Sie
wusste
, was sie an ihm hatte.
Er passte perfekt zu ihr.
In der Nacht, in der sie den Traum von Kyle und Fallon hatte, war sie mit Darryl zusammen.
Es war schrecklich. Es war fast, als ob sie mit ihnen im selben Zimmer wäre. In ihrem Schlafzimmer.
Fallon lag im Bett und warf sich von einer Seite auf die andere. Sie war hochschwanger und doch immer noch schön, das blonde Haar fiel ihr in ihr feines, jetzt schmerzverzerrtes Gesicht.
Kyle, der neben ihr im Bett lag, hatte sich aufgesetzt und versuchte, ihr zu helfen. „Es muss das Baby sein. Wir müssen ins Krankenhaus.“
„Es ist zu früh, es ist fast zwei Monate zu früh!“ schrie Fallon verzweifelt.
„Aber du bist krank. Wir müssen sofort ins Krankenhaus.“ Er sprang aus dem Bett, nackt. Muskulös, sonnengebräunt. Madison versuchte im Traum wegzuschauen, aber sie schaffte es nicht, den Blick abzuwenden.
Er zog sich
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