Dunkle Wünsche
schnell aufstand. »Ich werde mir gern irgendwann einmal den
Rest anhören, Angela, aber im Augenblick höre ich den Ruf des Countysheriffs.«
Ich schaffte es mit ein paar
schnellen Schritten zur Tür und hielt nicht einmal an, um auf Wiedersehen zu
sagen. Auch wenn das Versmaß frei war, so fand ich, waren die Kosten des Zuhörenmüssens zu hoch.
SIEBENTES KAPITEL
S üße Musik träufelte aus den
fünf Lautsprechern in den Wänden des Wohnzimmers. Das weiche Licht der
abgeschirmten Lampen machte den Raum zu einer kleinen intimen Oase, fern der
Werktagswelt. Auf meiner niedrigen riesigen Couch saß, ein Glas in der Hand und
einen in die Ferne gerichteten Blick in den Augen, das sherryblonde Mädchen.
Sie trug ein silbrigschimmerndes Hemdkleid, dessen weiße und rosafarbene
Pailletten glitzerten und dessen bis ganz hinab reichender Reißverschluß bis
ungefähr fünfzehn Zentimeter unterhalb des Halses herabgezogen war. Das
Abendessen war großartig gewesen, und sie hatte nicht einmal widersprochen, als
ich zuerst einen Drink in meiner Wohnung und hinterher mein HiFi-Gerät
vorschlug. Es war beinahe Zeit, Sinatras herrlichen Song über eine andere Nancy
zu spielen, um die Aufweichungstaktik zu vervollkommnen. Ich saß am anderen
Ende der Couch, betrachtete Nancy befriedigt und nippte an meinem Glas. Dann
wandte sie mir das Gesicht zu, und ich glaubte, den ersten Schimmer der
Kapitulation in ihren Saphiraugen zu erkennen.
»Al?« sagte sie leise.
»Nancy?« murmelte ich.
»Stellen Sie sie ab!«
»Was?«
»Die Musik!« Der Kommandoton in
ihrer Stimme hätte auch einen Marineinfanteristen in Habe-Acht-Stellung fahren
lassen, geschweige denn einen Polizeibeamten.
Ich stand von der Couch auf,
stellte das Gerät ab und starrte sie an. »Mögen Sie die Musik nicht?«
»Ich hatte gesagt, ich würde
mir die Sache mit dem HiFi noch überlegen, und jetzt habe ich sie mir überlegt.
Diese Musik, die da überall aus der Wand dringt, hat auf das Gemüt eines
Mädchens eine einlullende Wirkung. Ich will mich nicht einlullen lassen, Al
Wheeler.«
»Wie wär’s mit einer Partie
Scrabble?« sagte ich miesepetrig.
Ihre volle Unterlippe wölbte
sich noch mehr nach vorn, als sie lächelte. »Nehmen Sie’s nicht zu schwer.
Kommen Sie und setzen Sie sich hierhin«, sie schlug leicht neben sich auf das
Polster, »damit wir uns hübsch gemütlich unterhalten können.« Gleich darauf saß
ich neben ihr, was immerhin etwas, wenn auch nach dem, wie sich ihre Brauen
hoben, nicht viel war, wie ich fand.
»Könnten Sie nicht, anstatt
hierzusitzen, ein bißchen schicke Unterwäsche vorführen?« sagte ich
erwartungsvoll.
»Sie hätten mir früher
mitteilen sollen, daß Sie das wünschen«, sagte sie in bedauerndem Ton. »Dann
hätte ich Mr. Wagner mitbringen können. Er ist nicht gerade Konfektionsgröße,
aber in pulverblauem Nylon muß er eine Wucht sein.«
»Sie sind schlau«, sagte ich anerkennend.
»Frigide, aber schlau.«
»Sie waren von einem solchen
Biereifer erfüllt, mich erst in Ihre Wohnung, dann aus meinen Kleidern
herauszumanövrieren, daß Sie noch gar keine Zeit für eine Unterhaltung gefunden
haben«, sagte sie gelassen. »Ich fühle mich beleidigt, Al. Ich bin weit und
breit für meine geistsprühende Konversationsgabe bekannt, und Sie haben sich
selber noch keine Chance gelassen, sie bewundern zu können. Wie wär’s also,
wenn wir uns ein bißchen entspannen und unterhalten würden?«
»Okay —.« Ich zuckte die
Schultern. »Aber Sie können doch auch reden, während Sie Wäsche vorführen,
nicht wahr?«
Sie seufzte leise. »Der Ärger
ist, daß Sie unersättlich sind, während ich nur neugierig bin. Sie hätten
wissen müssen, daß Neugierde bei weiblichen Wesen an erster Stelle steht.«
»Dann werde ich also etwas zu
der geistsprühenden Unterhaltung beitragen«, sagte ich finster. »Was erweckt
denn Ihre Neugierde?«
»Sie und Mr. Wagner. Seit Sie
im Büro mit ihm gesprochen haben, ist er völlig verändert. So, wie er sich
benimmt, könnte man ihn für einen Massenmörder oder derartiges halten.«
»Wir haben in letzter Zeit
keine Massenmörder mehr gehabt«, sagte ich. »Wie ist denn die Arbeit bei ihm?«
»Er ist wie eine alte kleine
Lady, die sich ewig Sorgen um etwas macht, das sich nie ereignet; aber ich
glaube, es könnte schlimmer sein. Zumindest bleibt er die meiste Zeit über im
Hintergrund und überläßt mir den Umgang mit den Kunden. Abgesehen von seinen
speziellen Kunden
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