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Dunkler Dämon

Dunkler Dämon

Titel: Dunkler Dämon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeff Lindsay
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kleine Fenster in mein schattenhaftes anderes Selbst. Ein Tropfen für jedes meiner kleinen Abenteuer. Da war die Erste Schwester, so lange her, die ihre Patienten unter dem Deckmantel der Schmerzlinderung mit vorsichtigen Überdosierungen ermordet hatte. Und gleich der nächste Objektträger in dem Kasten, der Highschool-Lehrer, der Krankenschwestern erwürgte. Wunderbarer Gegensatz, ich liebe Ironie.
    So viele Erinnerungen, und während ich bei ihnen verweilte, wurde ich immer begieriger, eine neue zu schaffen, Nummer 41, obwohl Nummer 40, MacGregor, noch kaum getrocknet war. Aber weil mein nächstes Projekt mit ihm zusammenhing und er deshalb unvollständig wirkte, wollte ich unbedingt weitermachen. Mich so bald wie möglich Reikers vergewissern und dann einen Weg finden …
    Ich setzte mich auf. Vielleicht hatte das üppige Dessert meine Hirnarterien verstopft, denn vorübergehend hatte ich Deborahs Bestechungsversuch vergessen. »Deborah?«, sagte ich.
    Sie sah sich zu mir um, das Gesicht vor Konzentration ein wenig verzogen. »Was?«
    »Wir sind so weit«, sagte ich.
    »Ohne Scheiß.«
    »Ohne was auch immer. Tatsächlich besteht ein vollständiger Mangel an Scheiß – und das alles dank meiner mächtigen geistigen Anstrengung. Hattest du nicht einige Dinge erwähnt, die du mir gern erzählen würdest …?«
    Sie warf einen kurzen Blick auf Chutsky. Er starrte stur geradeaus, noch immer mit Sonnenbrille, die nicht zwinkerte. »Ja, schon gut«, sagte sie. »Doakes hat in einem Sonderkommando gedient.«
    »Das weiß ich. Es steht in seiner Personalakte.«
    »Was du nicht weißt, Kumpel«, sagte Kyle, ohne sich zu rühren, »ist, dass eine dunkle Seite der Sonderkommandos existiert. Doakes gehörte dazu.« Für einen Sekundenbruchteil runzelte ein schmales Lächeln sein Gesicht, so kurz und plötzlich, dass ich es mir auch eingebildet haben konnte. »Schließt man sich der dunklen Seite an, ist es auf ewig. Es gibt kein Zurück.«
    Ich betrachtete den vollkommen regungslos dasitzenden Chutsky einen Augenblick, dann schaute ich zu Debs. Sie zuckte die Achseln. »Doakes war Scharfschütze«, sagte sie. »Die Armee lieh ihn an diese Typen in El Salvador aus, und er tötete für sie.«
    »Solo für O. N. K.E. L.«, bemerkte Chutsky.
    »Das erklärt seine Persönlichkeit«, sagte ich und dachte, das erklärt auch noch eine ganze Menge mehr, wie zum Beispiel das Echo, das ich aus seiner Richtung vernommen hatte, als mein Dunkler Passagier rief.
    »Du musst verstehen, wie es damals war«, sagte Chutsky. Es war ein wenig unheimlich, seine Stimme tönte aus einem vollkommen reg- und emotionslosen Gesicht, als käme sie in Wirklichkeit von einem Kassettenrekorder, den jemand in seinen Körper gesteckt hatte. »Wir glaubten, wir würden die Welt retten. Wir gaben unsere Leben, jegliche Hoffnung auf Normalität und Anstand für die Sache auf. Wie sich herausstellte, hatten wir unsere Seelen verkauft. Ich, Doakes …«
    »Und Dr. Danco«, ergänzte ich.
    »Und Dr. Danco.« Chutsky seufzte und regte sich endlich, drehte sich kurz zu Deborah und sah dann wieder nach vorn. Er schüttelte den Kopf, und nach seiner vorherigen Starre wirkte diese Bewegung so umfassend und theatralisch, dass ich am liebsten applaudiert hätte. »Dr. Danco begann als Idealist, genau wie der Rest von uns. Während des Medizinstudiums stellte er fest, dass ihm etwas fehlte und er Dinge mit Menschen tun konnte, ohne Mitgefühl zu empfinden. Er empfand gar nichts. Das ist wesentlich seltener, als du glaubst.«
    »Oh, davon bin ich überzeugt«, versicherte ich ihm. Debs starrte mich wütend an.
    »Danco liebte sein Land«, fuhr Chutsky fort. »Deshalb wechselte auch er auf die dunkle Seite. Bewusst, um seine Fähigkeit zu nutzen. Und in El Salvador, nun, er – blühte auf. Er nahm jemanden, den wir ihm brachten, und tat einfach …« Er unterbrach sich und holte tief Luft, ließ sie langsam wieder entweichen. »Scheiße. Du hast gesehen, was er ihnen antat.«
    »Sehr originell«, sagte ich. »Kreativ.«
    Chutsky lachte schnaubend, ohne jeden Humor. »Kreativ. Ja, so könnte man es nennen.« Chutsky drehte langsam den Kopf, links, rechts, links. »Ich habe gesagt, dass es ihm nichts ausmachte, diese Dinge zu tun – in El Salvador begann es ihm zu gefallen. Er saß während des Verhörs dabei und stellte persönliche Fragen. Wenn er dann anfing, zu … Er nannte die Person beim Namen, als wäre er ein Zahnarzt oder so, und sagte:

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