Dunkler Dämon
darum machen musste, gefasst zu werden?
Ich konnte es nicht wissen, und ihn konnte ich selbstverständlich nicht fragen. Wie um das zu unterstreichen, drehte er sich mir zu und starrte mich an, als er an der nächsten roten Ampel anhalten musste. Ich tat so, als merkte ich es nicht, starrte geradeaus durch die Windschutzscheibe, und als die Ampel auf Grün sprang, wandte er das Gesicht wieder nach vorn.
Wir fuhren direkt zum Fuhrpark, und Doakes verfrachtete mich auf den Fahrersitz eines anderen Ford Taurus. »Geben Sie mir eine Viertelstunde«, sagte er und wies mit dem Kinn zum Funkgerät. »Dann rufen Sie mich.« Ohne ein weiteres Wort stieg er wieder in seinen Wagen und brauste davon.
Mir selbst überlassen, sann ich über die Überraschungen der vergangenen Stunden nach. Deborah im Krankenhaus, ich in einer Liga mit Doakes – und die Erleuchtung, die mir während meiner Nahtoderfahrung über Cody gekommen war. Selbstverständlich konnte ich mich in dem Jungen irren. Vielleicht gab es eine andere Erklärung für seine Reaktion auf die Frage nach dem verschwundenen Haustier, und bei dem Eifer, mit dem er sein Messer in den Fisch gestoßen hatte, konnte es sich um vollkommen normale kindliche Grausamkeit handeln. Aber seltsamerweise wollte ich unbedingt, dass es wahr war. Ich wollte, dass er zu jemandem heranwuchs, der so war wie ich – vor allen Dingen deshalb, wie mir bewusst wurde, weil ich ihn formen und seine winzigen Füße auf den Harry-Pfad lenken wollte.
War es das, was den menschlichen Zeugungsdrang ausmachte, ein zielloses und übermächtiges Bedürfnis, das eigene wunderbare, unersetzliche Ich zu reproduzieren, selbst wenn es sich bei dem fraglichen Ich um ein Ungeheuer handelte, das wahrlich kein Recht hatte, unter Menschen zu leben? Das würde natürlich erklären, wie die vielen unglaublich unerfreulichen Unterbelichteten ins Sein getreten waren, denen ich täglich begegnete. Im Gegensatz zu ihnen war ich mir allerdings im Klaren darüber, dass die Welt ohne mich ein wesentlich besserer Ort wäre – nur interessierte ich mich mehr für meine Gefühle zu dem Thema als für das, was die Welt darüber dachte. Ich war begierig darauf, mehr von meiner Art hervorzubringen, wie Dracula, der neue Vampire erschuf, damit sie ihm in der Finsternis zur Seite standen. Ich wusste, dass es falsch war – aber es würde solchen Spaß machen.
Und was für ein Schafskopf ich gewesen war! Hatten meine Mußestunden auf Ritas Sofa meinen einst so überwältigenden Intellekt in ein quabbeliges Häufchen rührseligen Pürees verwandelt? Wie konnte ich über solche Absurditäten nachdenken? Warum entwickelte ich stattdessen keinen Plan, der Ehe zu entkommen? Kein Wunder, dass ich mich Doakes’ klebriger Überwachung nicht hatte entziehen können – ich hatte meine Gehirnzellen aufgebraucht, und nun war mein Tank leer.
Ich warf einen Blick auf die Uhr. Vierzehn Minuten meiner Zeit mit geistigem Geschwätz vergeudet. Das reichte: Ich nahm das Funkgerät und rief Doakes.
»Sergeant Doakes, melden Sie Ihren Standort!«
Ein kurzes Schweigen, dann ein Knistern. »Äh, das würde ich lieber nicht tun.«
»Wiederholen Sie, Sergeant.«
»Ich habe einen Verbrecher aufgespürt, und ich fürchte, er hat mich bemerkt.«
»Was für einen Verbrecher?«
Ein Schweigen folgte, als erwartete Doakes von mir, sämtliche Arbeit zu übernehmen, und als hätte er sich nichts zurechtgelegt, was er sagen konnte: »Ein Typ aus meiner Militärzeit. Er wurde in El Salvador gefangen genommen, und er könnte glauben, dass es meine Schuld gewesen ist.« Schweigen. »Der Kerl ist gefährlich.«
»Brauchen Sie Verstärkung?«
»Noch nicht. Im Augenblick versuche ich, in Deckung zu gehen.«
»Roger«, sagte ich und war ein wenig aufgeregt, weil ich es endlich doch noch sagen durfte.
Wir wiederholten diese grundlegende Botschaft noch einige Male, nur um ganz sicherzugehen, dass sie Dr. Danco erreichte, bevor wir gegen ein Uhr nachts den Laden dichtmachten, und ich durfte jedes Mal »Roger« sagen. Endlich fuhr ich in Hochstimmung und befriedigt nach Hause. Vielleicht würde es mir morgen gelingen, »ich höre Sie« oder sogar »bestätigen Sie« einzuflechten. Wenigstens etwas, auf das ich mich freuen konnte.
Als ich meine schmale Koje aufsuchte und ihren furchtbaren Zustand erblickte, fiel mir wieder ein, dass Deborah hätte hier sein sollen, stattdessen aber im Krankenhaus lag. Ich würde sie morgen besuchen. Inzwischen hatte ich
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