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Dunkler Fremder

Dunkler Fremder

Titel: Dunkler Fremder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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erst um sechs Uhr.«
      Shane ging zum Empfang hinüber. »Ich suche
nach der jungen Dame, die gerade hier hereingekommen ist«,
erklärte er.
      Der alte Mann machte ein überraschtes Gesicht. »Eine junge Dame, sagten Sie?«
      »Ja, die junge Dame mit dem Hund«, meinte
Shane ungeduldig. »Ich habe gesehen, wie sie gerade hier
hereingekommen ist.«
      Der alte Mann faltete seine Zeitung auf dem Pult
zusammen und schüttelte den Kopf. »Es tut mir leid, Sir. Das
muß ein Irrtum sein. Ich sitze seit einer halben Stunde hier, und
ich habe mich nicht von der Stelle gerührt. Sie sind der erste,
der während dieser Zeit durch diese Tür dort hereingekommen
ist.«
      Shane verspürte plötzlich eine
unerklärliche Kälte im Nakken. Langsam sagte er: »Aber
ich habe sie doch hier hereingehen sehen. Ich bin ihr nur wenige
Augenblicke später gefolgt.«
      Der alte Mann schüttelte erneut verneinend den
Kopf und sagte eigensinnig: »Ich bedaure, Sir. Sie müssen
sich irren.«
      Als er sich wieder setzte und nach seiner Zeitung
greifen wollte, beugte Shane sich vor, packte ihn am Revers seiner
Jacke und zog ihn zu sich heran. »Sie lügen«, knurrte
er drohend. »Laura Faulkner ist gerade durch diese Tür hier
hereingekommen. Sie müssen sie gesehen haben.«
      Die Augen des alten Mannes verrieten plötzlich
Furcht, er machte sich los und wich vor Shane zurück. »Sie
täuschen sich«, sagte er ängstlich. »Und wenn Sie
nicht sofort gehen, rufe ich die Polizei.«
      Shane atmete schwer ein, mühsam seine Fassung
bewahrend, und sagte dann beherrscht: »Hören Sie zu, wir
können das gleich klären. Haben Sie ein Telefonbuch?«
Der alte Mann nahm es aus dem Regal hinter seinem Rücken und schob
es über das Pult. Shane blätterte darin, bis er die gesuchte
Adresse gefunden hatte. »Darf ich diesen Apparat benutzen?«
fragte er und deutete auf das Telefon auf dem Pult.
      »Ich muß Ihr Gespräch am
Klappenschrank vermitteln«, entgegnete der alte Mann voller
Mißtrauen.
      Shane wartete ungeduldig, während der alte Mann
ein Kabel einstöpselte und dann die Nummer wählte, die Shane
ihm nannte. Kurz darauf drehte er sich um und murmelte: »Hier ist
Ihre Verbindung, Sir.«
      Shane hob den Hörer ans Ohr und lauschte auf das
Rufzeichen am anderen Ende der Leitung. Schweißperlen rannen ihm
über die Stirn, und er versuchte sie mit einer ungeduldigen
Armbewegung fortzuwischen, dann knackte es in der Leitung, und er
hörte fern und kühl Laura Faulkners Stimme: »Ja, wer
ist dort, bitte?«
      Einen Augenblick lang herrschte eine bedrückende
Stille, während er sich bemühte, seine Fassung
wiederzugewinnen, und schließlich herausbrachte: »Hier ist
Martin Shane.«
      Er hörte, wie sie heftig einatmete, doch als sie
sprach, klang ihre Stimme kühl und unpersönlich an seinem
Ohr: »Ja, Mister Shane, was kann ich für Sie tun?«
      »Es ist eigentlich nichts«, sagte er
verlegen. »Nichts von Bedeutung. Ich dachte nur, ich hätte
Sie vor wenigen Augenblikken hier in der Stadt gesehen und wollte mich
nur vergewissern.«
      Sie klang überrascht. »Aber ich bin den ganzen Tag nicht aus dem Haus gegangen.«
      Als er antwortete, blieben ihm die Worte beinahe in
der Kehle stecken. »Entschuldigen Sie, wenn ich Sie gestört
habe. Es ist einfach ein dummes Versehen.« Er legte den
Hörer auf die Gabel zurück, durchquerte unsicheren Schrittes
die Hotelhalle und stolperte die Stufen hinunter, zurück in den
Nebel.
      Ihm war etwas widerfahren, was er nicht verstand
– etwas, das die Furcht in ihm wie eine schwarze Woge aufsteigen
ließ, die ihn zu ersticken drohte. Er war überzeugt,
daß er Laura Faulkner auf der Straße gesehen hatte, doch in
diesem Augenblick befand sie sich vier Meilen weit entfernt in einem
anderen Teil der Stadt. Dafür mußte es eine Erklärung
geben.
      Er eilte durch die engen Nebenstraßen zu seinem
Hotel. Die bohrenden Schmerzen in seinem Kopf verschlimmerten sich mehr
und mehr, und bevor er eine Seitenstraße überqueren
mußte, blieb er für einen Augenblick stehen und mußte
sich in einem plötzlichen Schwächegefühl an einen
Laternenpfahl lehnen.
      Durch den dichten Nebel hindurch nahm er eine Bewegung
wahr. Er hob lauschend den Kopf, dann sträubte sich ihm das Haar
im Nacken, und ihn überfiel kalte Angst. Langsam kam jemand auf
ihn zu. Jemand, der einen Fuß nachzog, einen Klumpfuß, der
erschreckend auf dem nassen Pflaster scharrte, während er

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