Dunkler Fremder
Klub
verließ und durch die nächtlichen Straßen zu seinem
Hotel zurückging. Der Nebel schien ihn noch dichter
einzuhüllen, mit einem unheimlichen gewichtslosen Druck, der ihn
benommen und schwindlig machte.
Tief hinter seinen Augen in den Höhlen begann ein
dumpfer Schmerz zu hämmern, und er fühlte sich schwach und
völlig gefühllos. Als er sein Hotel erreicht hatte,
ließ er sich von dem Nachtportier am Empfang seinen
Schlüssel geben und stieg mühsam die Treppe zu seinem Zimmer
hinauf.
In dem Zimmer war es still – zu still, wie ihm
schien, und ihn überkam ein vages, unerklärbares Unbehagen.
Er ließ sich im Dunkeln auf das Bett fallen, und als er die Augen
schloß, flackerten grellfarbige Bilder vor ihm auf, und die Nacht
nahm tausend bizarre Gesichter an.
So hatte er erschöpft vielleicht fünf oder
zehn Minuten dagelegen, als er ein Geräusch wahrnahm, das ihm
Wellen des Schauderns über den ganzen Körper jagte. In dem
Raum über ihm bewegte sich jemand hin und her, jemand, der einen
Fuß nachzog, der unheimlich über die Dielen schlurfte.
Vor Entsetzen unfähig sich zu bewegen, blieb er
auf dem Bett liegen, starrte zur Decke empor, während ihm eiskalte
Schauer über den Rücken rannen. Als ihm die Angst die Kehle
zuzuschnüren drohte, sprang er vom Bett auf, rannte durchs Zimmer,
öffnete mit einem Ruck die Tür und hastete den Gang entlang
auf der Suche nach einer Treppe, die in die nächste Etage
hinaufführte.
Es gab keine Treppe, aber am Ende des Korridors
stieß er auf eine Tür, die verschlossen war. Vergeblich
rüttelte er an der Klinke, dann eilte er zurück und die
Treppe zum Empfang hinunter.
»Ich will wissen, wer in dem Zimmer über meinem wohnt«, forderte er keuchend.
Der Portier blickte ihn verwundert an. »Aber
über Ihrem Zimmer wohnt niemand, Sir. Über Ihrer Etage
befindet sich nur noch der Dachboden.«
»Aber ich habe jemanden gehört, der in dem Zimmer über mir auf und ab ging«, beharrte Shane.
Der Portier schüttelte verneinend den Kopf.
»Das ist ganz unmöglich, Sir. Die Tür zum Dachboden ist
abgeschlossen. Es gibt nur einen Schlüssel, und den habe ich
hier.«
Er nahm ihn von einem Haken ab und hielt ihn hoch.
Shane verspürte plötzlich eine tiefe Leere in seinem
Bewußtsein, und für einen Augenblick schloß er die
Augen. Als er sie wieder öffnete, brachte er mühsam
beherrscht hervor: »Hätten Sie etwas dagegen, daß wir
oben mal nachsehen? Ich bin überzeugt, daß ich da oben
jemanden gehört habe.«
Der Portier nickte zustimmend und hob die Klappe des
Durchgangs an seinem Pult. »Aber gewiß, Sir. Ich komme
selbst mit Ihnen.«
Sie gingen die Treppe hinauf und den Gang entlang bis
zu der Tür, die den Zugang zur Bodentreppe versperrte. Der Portier
schloß auf, schaltete Licht an und ging vorsichtig voraus. Shane
folgte ihm auf den Fersen. Als sie oben ankamen, stan den sie auf einem
Treppenabsatz, hinter dem sich über die ganze Länge und
Breite des Hauses der Dachboden erstreckte. Er war völlig leer.
Das grelle Licht einer nackten Glühbirne erhellte ihn bis in die
hintersten Winkel.
Der Portier wandte sich an Shane mit einem verlegenen
Lachen. »Nun, Sie sehen selbst. Sie müssen sich
tatsächlich getäuscht haben, Sir.«
Shane nickte benommen und verwirrt, ging voraus und
über die Treppe wieder nach unten. Er wartete, bis der Portier
hinter ihnen die Bodentür wieder verschlossen hatte, und ging dann
mit ihm zusammen bis zu dem Treppenabsatz den Gang entlang zurück.
»Tut mir leid, daß ich Sie umsonst behelligt habe«,
murmelte er.
Der Portier blickte ihn prüfend an.
»Entschuldigen Sie, daß ich davon spreche, Sir, aber Sie
sehen wirklich nicht besonders gut aus. Kann ich irgend etwas für
Sie tun?«
Shane schüttelte den Kopf und wollte sich auf
sein Zimmer begeben. »Danke, nein. Das wird besser, sobald ich
etwas geschlafen habe«, wehrte er ab. »Ich bin nur sehr
müde. Das ist alles.«
Er schloß die Tür hinter sich ab, lehnte
sich mit dem Rücken dagegen und lauschte. Aber es war kein Laut zu
hören, nur die stummen Schatten lauerten drohend in den
Zimmerecken. Er schwankte zum Bett hinüber, setzte sich auf die
Kante und rauchte eine Zigarette, während seine Gedanken sich
überschlugen. Es mußte für seine Wahrnehmung eine
rationale Erklärung geben, denn wenn er auch nur für einen
Augenblick zuließ, die Möglichkeit einzugestehen, daß
er sich das alles nur
Weitere Kostenlose Bücher