Dunkler Fremder
Tagen einmal in der
Universität an. Bis dahin ist er sicher wieder auf dem
Damm.« Es klang, als ob es ihr wirklich leid täte.
Shane lächelte. »Ja, ich glaube, das werde
ich tun, Mrs. Crowther. Grüßen Sie Adam inzwischen von mir
und sagen Sie ihm, daß ich ihn anrufen werde.«
Er drehte sich um, eilte die Stufen hinunter und ging
Richtung Gartentor davon. Von dort blickte er zurück. Sie stand
noch vor der Haustür und sah ihm nach. Erst als er sich abwandte
und das Grundstück verließ, kehrte sie ins Haus zurück,
und gleich darauf erlosch das Licht auf der Veranda.
Nach ein paar Schritten blieb Shane im Schutz der
Gartenmauer stehen und wartete zwei oder drei Minuten ab, bevor er sich
lautlos wieder dem Bungalow näherte, am Rand des Rasens
entlangschleichend, der seine Schritte verschluckte. Die junge Frau
hatte ihn angelogen, davon war er überzeugt. Adam Crowther wollte
nicht nur einem Gespräch mit ihm aus dem Wege gehen, er wollte
darüber hinaus den Anschein erwecken, als habe er den ganzen Abend
über sein Haus nicht verlassen, und das aus einem plausiblen
Grund.
Shane schlich leise zu der Garage hinüber, einem
flachen Ziegelbau an der linken Seite des Bungalows. Die Tür war
nicht verschlossen, und er trat schnell hinein. Er riß ein
Streichholz an und hielt es mit ausgestrecktem Arm vor sich in die
Höhe. Crowthers Wagen stand in der Garage, dieses kleine dunkle
Coupé, das er schon vor dem Garland Club gesehen hatte, und es
war noch vom Regen perlnaß.
Als das Streichholz erlosch, verließ er die
Garage wieder. Dadurch war zumindest ein Punkt geklärt: Es
mußte Crowther gewesen sein, den er beim Verlassen des Clubs
beobachtet hatte.
Er huschte am Haus entlang auf dessen Rückseite.
Die Küche lag im Dunkeln, aber die Hintertür gab seinem Druck
nach, und er drang lautlos in das Haus ein. Angestrengt lauschend blieb
Shane stehen. Von irgendwo aus dem vorderen Teil des Hauses waren
Stimmen zu hören. Vorsichtig näherte er sich dem
Stimmengewirr und erreichte einen schmalen Korridor, der zur Diele
führte. Links von sich nahm er durch einen Türspalt einen
Lichtschimmer wahr, und er trat näher heran und lauschte.
Crowther und seine Frau stritten sich über etwas.
Sie bedrängte ihn mit leiser eindringlicher Stimme. Shane konnte
nicht verstehen, was sie sagte, aber plötzlich unterbrach Crowther
sie mit einem lauten und sehr heftigen »Nein!«. Dann
erfolgte eine unerwartete Bewegung, die Tür wurde
aufgestoßen, und Mrs. Crowther stand vor ihm.
Als sie Shane bemerkte, flog ihre Hand zum Mund, und
sie schrie erschrocken leise auf. Shane schob sie sanft in das Zimmer
zurück und folgte ihr und schloß die Tür hinter sich.
Adam Crowther stand vor dem Kamin und stopfte sich aus
einem alten Lederbeutel eine Pfeife. Er starrte Shane überrascht
an, dann verzog sich sein Gesicht zu einer wütenden Grimasse. Er
legte die Pfeife auf den Rauchtisch vor sich ab und trat mit geballten
Fäusten auf Shane zu. »Du hast zehn Sekunden Zeit, von hier
zu verschwinden«, fauchte er wutentbrannt.
Shane lehnte sich gegen die Tür und betrachtete
ihn gelassen. »Nicht bevor ich Antworten von dir auf ein paar
Fragen erhalte«, erwiderte er. »Zum Beispiel, warum hat
deine Frau mich vorhin angelogen.«
Crowther runzelte die Stirn. »Ich weiß nicht, wovon du redest.«
Shane schüttelte den Kopf. »Jetzt
lügst du, Crowther. Genauso wie du heute nachmittag gelogen hast,
als du mir weismachen wolltest, du hättest keine Verbindung zu
Steele. Du hast ihn heute abend im Garland Club aufgesucht.«
»Du mußt den Verstand verloren
haben.« Crowther lachte verächtlich auf. »Ich bin den
ganzen Abend über nicht aus dem Haus gegangen.«
»Du warst bei Steele im Garland Club«,
entgegnete Shane bestimmt. »Danach bist du in mein Hotel gegangen
und hast versucht, mir auf eine gewisse Weise einen tödlichen
Schrekken einzujagen. Aber das hattest du heute schon einmal
beabsichtigt, oder nicht, Crowther? Du bist mir durch die ganze Stadt
gefolgt, hast dabei ständig deinen verdammten Fuß
nachgeschleift, um mich glauben zu machen, jemand anderes käme
hinter mir her.«
Einen Augenblick lang herrschte Schweigen,
während er seinem Gegenüber forschend in die Augen blickte.
Schließlich fragte Crowther lauernd: »Wovor fürchtest
du dich eigentlich, Shane. Wer, glaubst du, soll dich denn in dem Nebel
verfolgt haben?«
Plötzlich traten Shane
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