Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dunkler Grund

Dunkler Grund

Titel: Dunkler Grund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
Vom Netzwerk:
Hosentaschen. »Es muß jemand von der Familie gewesen sein, aber wer? Ich bin noch genauso schlau wie in dem Augenblick, als ich aus dem Zug gestiegen bin. Daß es Eilish war, glaube ich nicht. Eher noch Kenneth. Er hat eine Geliebte, und das mißfällt der Familie. Außerdem führt er die Bücher der Firma. Er ist ein Mann ohne Rückgrat. Wenn Sie Ihr Handwerk verstehen dann nehmen Sie ihn im Zeugenstand auseinander.«
    Rathbone zuckte zusammen, als er Monk so barsch reden hörte, aber er teilte seine Gefühle. Er würde diesem Kenneth einen Strick drehen, wenn man ihn nur ließe! Diese verfluchten Unterschiede zwischen englischem und schottischem Recht!
    Argyll lehnte sich in seinen Sessel zurück, legte die Fingerspitzen gegeneinander und sah Monk ohne Verärgerung an. »Es wäre einfacher für mich, Mr. Monk, wenn Sie mir einen Grund für eine Buchprüfung liefern könnten. Gut möglich, daß der junge Kenneth hier und da etwas abgezweigt hat, um seine Geliebte zu finanzieren – aber für eine Eingabe beim High Court von Edinburgh brauchen wir mehr als nur Vermutungen.«
    »Ich besorge Ihnen einen Grund«, sagte Monk entschlossen. Argyll hob die dunklen Augenbrauen. »Legal, wenn ich bitten darf. Sonst nützt es uns nichts.«
    »Das weiß ich!« erwiderte Monk zähneknirschend. »Ich werde ihm kein Haar krümmen und keinen Grund zur Beschwerde liefern. Kümmern Sie sich um Ihre Arbeit.«
    Rathbone zuckte zusammen.
    Monk schoß noch einen Blick auf Argyll ab, dann verließ er wortlos das Zimmer.
    Hester verbrachte die Reise von London nach Edinburgh im Gepäckwagen, und das in einem Zustand, den man weder Schlaf noch Entspannung nennen konnte, der aber sonst alle Eigenschaften eines Traums besaß. Sie war mit Handschellen an eine Wärterin gefesselt, die kerzengerade und wachsam neben ihr saß, das Gesicht wie gemeißelt. Jedesmal, wenn Hester kurz die Augen öffnete, erwartete sie, Mary Farraline vor sich zu sehen und ihre sanfte, kultivierte Stimme mit dem leichten Edinburgher Akzent zu hören, wie sie humorvoll und vergnügt eine Episode aus ihrem Leben erzählte.
    Sie stiegen als letzte aus dem Zug, und als sie neben der Wärterin auf dem Bahnsteig stand, bewegten sich die meisten Reisenden bereits auf den Ausgang zu.
    Eine Polizeieskorte stand bereit, vier hochgewachsene Konstabler mit Schlagstöcken, die nervös nach allen Seiten blickten.
    »Komm, Latterly«, raunzte die Wärterin und zerrte an Hesters gefesselter Hand. »Steh hier nicht rum!«
    »Ich lauf Ihnen schon nicht weg!« entgegnete Hester sarkastisch.
    Ein geschlossener Wagen brachte sie direkt ins Gefängnis, wo schon andere Wärterinnen mit starren Gesichtern und kalten Blicken auf Hester warteten.
    Sie sagte nichts, stellte keine Fragen und ging schweigend in ihre Zelle, erhobenen Hauptes und mit den Gedanken weit fort von ihnen. Dort blieb sie bis in den Nachmittag hinein, dann brachte man sie in einen anderen kleinen, bis auf einen Holztisch und zwei hölzerne Stühle völlig leeren Raum.
    Dort wartete bereits jemand auf sie, ein großer Mann mit breiten Schultern; dem grauen Haar und den vielen Falten nach zu urteilen mußte er an die sechzig Jahre alt sein, aber er strahlte eine ungeheure Vitalität aus, obwohl er ganz ruhig vor ihr stand.
    »Guten Tag, Miss Latterly«, sagte er höflich. »Mein Name ist James Argyll. Ich bin von Lady Callandra beauftragt, Sie zu vertreten, da Mr. Rathbone vor schottischen Gerichten nicht zugelassen ist.«
    »Guten Tag«, erwiderte sie.
    »Bitte nehmen Sie Platz, Miss Latterly.« Er deutete auf einen der Stühle und setzte sich erst, nachdem sie Platz genommen hatte. Er betrachtete sie neugierig und ein wenig erstaunt. Sie fragte sich, was er erwartet haben mochte – ein grobknöchiges, kräftiges Weib, eine Trinkerin, eine Schlampe, ein dummes Weibsbild, das keine bessere Beschäftigung gefunden hatte, als Nachttöpfe zu leeren und Verbände zu erneuern.
    »Ich habe bereits mit Mr. Rathbone gesprochen«, hatte Argyll gerade zu ihr gesagt.
    Es kostete sie große Anstrengung, ihm ruhig in die Augen zu sehen.
    »Er hat mir mitgeteilt, daß Miss Nightingale bereit ist, für Sie auszusagen.«
    »Oh!« Ihr Herz machte einen Satz, und ganz unvermittelt kehrte die Hoffnung zurück. Ihre Hände auf dem Tisch fingen an zu zittern, und damit er es nicht merkte, krallte sie die Finger so fest ineinander, daß die Nägel ihr ins Fleisch schnitten. »Das ist sicher gut für mich…«
    »O ja, sehr gut sogar«,

Weitere Kostenlose Bücher