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Dunkler Grund

Dunkler Grund

Titel: Dunkler Grund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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oberflächliche, unzulängliche Weise schildern.«
    »Ist das eine Frage, Sir?«
    »Nein, es sei denn, Sie sind anderer Meinung.«
    »Nein, ich stimme Ihnen zu. Man kann nur solche Erfahrungen mitteilen, für die es eine gemeinsame Sprache und gemeinsame Bilder gibt. Einem Blinden können Sie keinen Sonnenuntergang beschreiben.«
    »Genau. Macht Sie das nicht manchmal ein wenig einsam, Dr. Moncrieff?«
    Moncrieff erwiderte nichts.
    »Und bringt es Sie nicht jenen Menschen näher, mit denen Sie diese schrecklichen und prägenden Erlebnisse geteilt haben?«
    Moncrieff konnte es nicht bestreiten, auch wenn man ihm anmerkte, daß er längst wußte, worauf Gilfeather hinauswollte.
    Die Geschworenen beugten sich vor und hörten aufmerksam zu.
    »Natürlich«, mußte er einräumen.
    »Und macht es sie nicht auch ein wenig unduldsam jenen farblosen, verständnislosen, vielleicht sogar nutzlosen Frauen gegenüber, die so gar keine Vorstellung von etwas haben, das mehr verlangt und gefährlicher ist als das Führen eines Haushalts?«
    »Das sind Ihre Worte, Sir, nicht meine.«
    »Seien Sie aufrichtig, Sir. Sie stehen unter Eid. Würden Sie nicht gerne viel öfter über die Vergangenheit reden, wie Sie es gerade eben mit so viel Leidenschaft getan haben?«
    Moncrieff verzog keine Miene. »Ich habe nicht das Bedürfnis, Sir. Es übersteigt meine Fähigkeiten und die eines jeden anderen, es zu schildern, es sei denn in billigen Worten, die nur auf Ignoranten Eindruck machen.« Er beugte sich vor, seine Hände umklammerten das Geländer. »Aber Sie werden von mir kein schlechtes Wort über jene Frauen hören, die zu Hause geblieben sind und ihre Kinder versorgt haben. Wir haben alle unsere Aufgabe und unsere Fähigkeiten. Es ist müßig und höchst überflüssig, Vergleiche anstellen zu wollen. So, wie die Frauen, die sich um den Haushalt kümmern, diejenigen nicht verstehen, die auf die Krim gegangen sind, so haben vielleicht diejenigen, die fortgegangen sind, keine Ahnung von den Plagen der Frauen, die zu Hause geblieben sind.«
    »Alles schön und gut, Sir. Ihre Höflichkeit ehrt Sie«, sagte Gilfeather zwischen den Zähnen. Das Lächeln war von seinem Gesicht verschwunden. »Aber fühlen Sie nicht eine größere Nähe zu jemandem, mit dem Sie teilen können, was Sie noch immer so sehr bewegt.«
    »Sicher.«
    »Sagen Sie, Sir, war Miss Latterly immer so schäbig zurechtgemacht wie jetzt? Sie ist eine junge Frau und recht hübsch anzusehen. Das Ganze muß eine außergewöhnliche Tortur für sie gewesen sein. Zuerst hat man sie ins Newgate-Gefängnis in London gesperrt, und jetzt sitzt sie hier in Edinburgh. Es geht in diesem Prozeß um ihr Leben. So, wie sie hier sitzt, können wir ihre Reize nicht gerecht beurteilen.«
    »Das ist wahr«, räumte Moncrieff vorsichtig ein.
    »Haben Sie sie gern gehabt, Doktor?«
    »Es blieb wenig Zeit für Freundschaften, Mr. Gilfeather. Mit Ihrer Frage illustrieren Sie auf das Anschaulichste Ihre eigene Vermutung, daß diejenigen, die hiergeblieben sind, nicht verstehen können, wie es dort war. Ich habe sie bewundert und sehr gerne mit ihr zusammengearbeitet, wie ich bereits sagte.«
    »Ich bitte Sie, Sir!« sagte Gilfeather, und seine Stimme klang plötzlich hart. »Machen Sie mir doch nichts vor! Sollen wir Ihnen glauben, daß Sie zwei Jahre lang so sehr in Ihrer Arbeit aufgegangen sind Tag und Nacht, daß der Mann in Ihnen gar nicht zu seinem Reckt gekommen ist?« Er breitete die Arme aus und lächelte. »Nicht ein einziges Mal, wenn die Schlacht ruhte, wenn die Sonne auf die Felder schien, wenn es Zeit für ein Picknick gab… oh, nein, wir sind nicht so ahnungslos, wie Sie glauben! Es gibt Kriegsberichterstatter und sogar Fotografen! Wollen Sie uns tatsächlich weismachen, Sir, daß Sie in Miss Latterly während der ganzen Zeit niemals die junge und gar nicht einmal so unattraktive Frau gesehen haben?«
    Moncrieff lächelte. »Nein, Sir, das will ich nicht. Ich hatte bislang nicht darüber nachgedacht, aber jetzt, wo Sie es erwähnen sie ähnelt sogar ein wenig meiner Frau, die ebenfalls sehr mutig und sehr aufrichtig ist.«
    »Die aber nicht als Krankenschwester auf der Krim war und Ihre Gefühle deshalb nicht verstehen kann, Sir!«
    Moncrieff lächelte. »Sie irren sich, Sir. Selbstverständlich war meine Frau mit auf der Krim, und niemand wäre besser in der Lage als sie, meine Gefühle zu verstehen.«
    Gilfeather war besiegt, und er wußte es.
    »Danke, Doktor. Das ist alles. Falls

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