Dunkler Grund
gab.
Baird stand neben dem Kamin, so weit wie möglich von Quinlan entfernt. Er sah abgehärmt aus, als hätte er weder gegessen noch geschlafen, und auch er hatte etwas Gehetztes im Blick, wie vor einem Kampf, von dem er wußte, daß er ihn nicht gewinnen konnte.
Eilish stand neben Deirdra, nicht weit von Kenneth, der auf der Lehne eines Sessels saß und Hester mit unverhohlenem Interesse betrachtete.
Man tauschte die üblichen Belanglosigkeiten aus, aber es lag eine Spannung im Raum, als wartete man nur darauf, daß jemand die Sprache auf das einzig interessante Thema brachte. Schließlich blieb es Alastair vorbehalten.
»Oonagh sagt, daß Sie sich nach der anderen Brosche erkundigt haben, die niemand gesehen hat. Warum? Sie glauben doch nicht, daß jemand vom Personal sie gestohlen hat, oder? Vielleicht ist sie einfach verlorengegangen? Mutter war manchmal etwas sorglos…« Unvollendet gab er die Bemerkung dem allgemeinen Schweigen anheim. Man hatte ja noch nicht einmal eine Erklärung für die graue Perlenbrosche gefunden, zudem war es ein wenig unhöflich, das Thema in Hesters Gegenwart zu diskutieren.
»Nein, das glaube ich nicht«, erwiderte Monk erbarmungslos.
»Es gibt eine sehr einfache Erklärung dafür, Mr. Farraline. Ihre Mutter hat die Brosche niemals besessen. Sie wurde von ihrem Bruder Kenneth in Auftrag gegeben, ich nehme an, weil er sie seiner Freundin schenken wollte, der Dame, die beschlossen hat, nie wieder arm zu sein. Ein verständlicher Beschluß. Vielleicht nicht für Sie, aber sicher für jemanden, der vor Hunger und Kälte nächtelang wachgelegen hat.«
Alastair zog ein angewidertes Gesicht und drehte sich langsam zu Kenneth um.
Kenneth war rot geworden, aber er machte ein trotziges Gesicht.
Monk sah zu Eilish hinüber. Ihr Gesicht spiegelte eine schmerzliche Mischung aus Angst und Hoffnung, als hätte sie nicht damit gerechnet, daß Kenneth’ Schuld ihr etwas ausmachen könnte. Sie warf einen schnellen Seitenblick auf Baird, aber der schien in eigene Gedanken versunken zu sein.
Oonagh sah ihren jüngeren Bruder fragend an.
»Nun?« Alastair wurde ungeduldig. »Was stehst du da und blickst finster drein, Kenneth? Wir warten auf eine Erklärung! Hast du dieses Schmuckstück bestellt und deiner Mutter auf die Rechnung setzen lassen? Es erscheint wenig sinnvoll, es abzustreiten: Es existieren Beweise.«
»Ich gebe es ja zu«, antwortete Kenneth mit erstickter Stimme, aber in seinem Gesicht stand ebensoviel Zorn wie Angst. »Wenn du uns ordentlich bezahlen würdest, dann müßte ich nicht…«
»Du verdienst das, was du wert bist!« brauste Alastair auf, und seine Wangen färbten sich zornesrot. »Und wenn ich dir nicht mehr als deinen Unterhalt zahlen würde, wäre das noch lange kein Grund, auf Mutters Kosten Geschenke für dein Liebchen zu kaufen! Was hast du sonst noch alles angestellt? Hat Onkel Hector am Ende recht? Hast du Firmengelder unterschlagen?« Das Blut wich aus Kenneth’ Gesicht, aber immer noch schien er ebenso trotzig wie ängstlich zu sein. Von Reue war nichts zu merken.
Seltsamerweise trat Quinlan vor, um zu antworten, nicht Kenneth selber.
»Ja, das hat er getan, vor Monaten schon, über ein Jahr ist es her, und Schwiegermama hat es damals erfahren. Sie hat alles zurückgezahlt.«
Alastair schüttelte den Kopf. »Ach, Quinlan, erwartest du wirklich, daß ich dir das glaube? Warum, in aller Welt, hätte Mutter Kenneth’ Unterschlagung decken und das Geld zurückzahlen sollen? Ich nehme an, es ging dabei nicht um ein paar Pennys. Die hätten kaum ausgereicht, um sein ausschweifendes Leben zu finanzieren und seine Geliebte mit den Diamanten zu versorgen, die sie offensichtlich so sehr liebt.«
»Natürlich nicht«, räumte Quinlan ein. »Du brauchst nur einen Blick in Schwiegermamas Testament zu werfen, dann siehst du, daß Kenneth nichts bekommt. Mit seinem Anteil hat sie seine Schulden beglichen – für die Unterschlagung und wahrscheinlich auch für die Brosche. Davon hat sie nämlich auch gewußt.« Er sah Alastair fest in die Augen, ohne mit der Wimper zu zucken, und Monk fragte sich, ob der letzte Satz eine Lüge war.
Alastair erwiderte nichts.
Quinlan lächelte. »Komm, Alastair. Genau das hätte Schwiegermama getan, und du weißt es. Sie hätte niemals ihren eigenen Sohn angezeigt. Das war uns allen klar – auch Kenneth. Wo es doch eine viel einfachere Lösung gab.« Er hob ganz leicht die Schultern. »Sie hat ihn bestraft und gleichzeitig
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