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Dunkler Grund

Dunkler Grund

Titel: Dunkler Grund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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gravierten sie einen winzigen Klecks hinein, aber immer nur sehr vorsichtig, bis jede einzelne Platte einen Fehler hatte. Es war bereits nach zwei, als sie damit fertig waren. Die Lampe brannte nur noch ganz schwach. Und jetzt, als es nichts mehr zu tun gab, spürten sie auf einmal die Kälte. Ganz automatisch rückten sie enger aneinander, kauerten sich auf ein paar Papierkisten in der Ecke, um nicht auf dem kalten Boden sitzen zu müssen. Die Luft stand absolut still. Der Raum war gut abgedichtet worden, und nachdem sie nichts mehr zu tun hatten, merkten sie, wie abgestanden die Luft inzwischen war. Einen großen Teil des Raums nahmen Maschinen und Kisten ein.
    »Ich kann nicht glauben, daß Mary davon wußte«, sagte Hester. »Ich kann mir nicht vorstellen, daß sie die ganzen Jahre vom Geldfälschen gelebt haben soll!«
    »Vielleicht hat sie es so gesehen wie Sie vorhin«, entgegnete Monk und starrte in den kleinen Lichtkreis, den die Lampe auf den Boden warf. »Ein Verbrechen ohne Opfer, nur ein bißchen Habgier.«
    Sie ließ sich ein paar Minuten Zeit mit einer Antwort. Monk hatte Mary nicht gekannt, und sie wußte nicht, wie sie ihm klarmachen sollte, was für einen anständigen und ehrbaren Eindruck die alte Dame auf sie gemacht hatte.
    »Glauben Sie, daß alle daran beteiligt sind?« fragte sie.
    »Nein«, erwiderte er ohne nachzudenken, und dann merkte er, in welche Position er sich damit manövriert hatte. »Also gut, vielleicht hat sie nichts gewußt. Wenn sie’s gewußt hätte, dann wäre das alles hier«, er deutete mit dem Kopf auf die Druckmaschinen, »kein Grund gewesen, sie umzubringen. Aber wie mag sie dahintergekommen sein? Und warum hat sie nicht die Polizei gerufen? Warum ist sie nach London gereist? So dringend war die Sache auch wieder nicht. Sie hätte Zeit genug gehabt, sich zuerst um das hier zu kümmern.« Er schüttelte den Kopf. »Aber hätte Mary ihre eigene Familie der Schande, dem Ruin und dem Zuchthaus preisgegeben? Hätte sie nicht einfach nur verlangt, daß sie damit aufhören? Wäre das vielleicht ein Grund gewesen, sie zu töten?«
    »Wenn ich eine Geldfälscherin wäre«, erwiderte sie, »dann hätte ich gesagt: ›Ja, Mutter, ist gut‹, und wäre mit der Fälscherwerkstatt woanders hingezogen. Das ist doch unendlich viel risikoloser, als sie umzubringen.«
    Er antwortete nicht, sondern versank in Gedanken.
    Es wurde immer kälter. Sie rückten noch enger zusammen, spendeten sich gegenseitig tröstliche Wärme, selbst der stetige Rhythmus ihres Atmens bot so etwas wie Sicherheit in der bedrohlichen Finsternis, der Gewißheit, daß nur noch wenig Zeit blieb und sie langsam anfangen mußten, die Sekunden zu zählen.
    »Was hat sie erzählt – während der Zugfahrt?« fragte Monk schließlich.
    »Die meiste Zeit von der Vergangenheit.« Hester erinnerte sich wieder an die Nacht im Abteil. »Sie ist damals viel gereist. Am Vorabend der Schlacht von Waterloo war sie auf dem großen Ball in Brüssel. Sie hat von Hamish erzählt, wie elegant er war; ein schneidiger Bursche, in den alle Frauen verliebt waren.«
    »Hat Hector damals auch schon getrunken?«
    »O nein. Sie hat auch von Hector erzählt. Er war immer der Stillere, Sanftmütigere der beiden gewesen – das waren nicht ihre Worte, aber so hatte sie es gemeint. Und außerdem soll er der bessere Soldat gewesen sein. Sie hat mir anvertraut, was für schreckliche Angst sie um Hector hatte, aber um nichts in der Welt hätte sie es ihn spüren lassen.«
    »Sie meinen Hamish«, korrigierte er.
    »Hamish? Ja, natürlich. Die Luft wird langsam dünn, finden Sie nicht?«
    »Ja.«
    »Sie hat auch über ihre Kinder gesprochen, vor allem über Alastair und Oonagh, wie nah sie sich gestanden haben, auch als sie noch ganz klein waren.« Sie erzählte ihm, was sie von der Geschichte über das nächtliche Gewitter behalten hatte, als Mary die beiden im Bett gefunden hatte, wo sie sich gegenseitig trösteten.
    »Eine bemerkenswerte Frau, diese Oonagh Farraline«, sagte er leise. »Ein bißchen beängstigend, weil sie so stark ist.«
    »Alastair muß auch sehr stark sein, sonst wäre er nicht Prokurator geworden. Es hat Mut erfordert, gegen Galbraith keine Anklage zu erheben. Anscheinend war es ein bedeutender politischer Fall, und alle hatten damit gerechnet, daß man ihn vor Gericht stellen und schuldig sprechen würde! Auch Mary, glaube ich.«
    »Nach dem, was die Frau in der Kirche gesagt hat, war Galbraith nicht der einzige, gegen den er

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