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Dunkler Grund

Dunkler Grund

Titel: Dunkler Grund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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zu. Schließlich erhob sie sich, riet Hester, sich die Frisur in Ordnung zu bringen, und sagte; sie müßte sich um das Mittagessen kümmern.
    »Ja, natürlich«, sagte Hester schnell. Jetzt erst wurde ihr bewußt, wieviel von Callandras Zeit sie in Anspruch genommen hatte. »Tut mir leid… Ich… ich hätte…«
    Callandra brachte sie mit einem Blick zum Schweigen.
    »Gut«, sagte Hester gehorsam. »Ich werde mich um meine Haare kümmern und Daisy ihr Kleid zurückgeben.«
    »Ihres ist bestimmt noch nicht trocken«, vermutete Callandra.
    »Dazu ist nach dem Essen auch noch Zeit.«
    Ohne weitere Diskussion ging Hester nach oben in das Gästezimmer, in dem Daisy ihre Tasche abgestellt hatte, und klappte sie auf, um nach dem Kamm und ein paar Haarnadeln zu suchen. Sie steckte ihre Hand an der Seite hinein und tastete zuversichtlich herum. Kein Kamm. Sie versuchte es auf der anderen Seite, und gleich hatte sie ihn gefunden. Die Nadeln machten es ihr nicht so leicht. Sie steckten in einer kleinen Papiertüte, aber sie konnte sie einfach nicht finden.
    Voller Ungeduld kippte sie den Inhalt auf das Bett. Sie hob das Unterkleid hoch, das sie in Mrs. Farralines Haus vor ihrem Mittagsschlaf gewechselt hatte. Kaum zu glauben, daß es erst gestern gewesen war. Sie schüttelte es aus. Etwas flog in hohem Bogen heraus und landete mit leisem Geräusch auf dem Fußboden.
    Es lag gleich neben dem Bettpfosten. Sie hob es auf – und wußte sofort, daß etwas nicht stimmte. Es war kein Papier, auch keine einzelne Haarnadel. Ein verzweigtes Stück Metall. Ihr Herz stand still, der Mund wurde ihr plötzlich trocken. Es war eine Brosche, eine mit Diamanten und großen, grauen Perlen besetzte Schnecke. Sie hatte das Schmuckstück noch nie gesehen, aber seine Beschreibung hatte sich ihr eingeprägt. Es war Mary Farralines Brosche, ihre Lieblingsbrosche, die sie zu Hause gelassen hatte, weil auf dem Kleid, zu dem sie paßte, ein Fleck war.
    Beinahe widerwillig nahm sie die Brosche in die Hand und ging – die Frisur noch immer nicht durch Nadeln gebändigt – die Treppe wieder hinunter in das grüne Zimmer.
    Callandra blickte auf. »Was ist los?« Sie sah sofort, daß etwas Schlimmes geschehen war. »Was ist passiert?« Hester zeigte ihr die Brosche.
    »Sie gehörte Mary Farraline«, sagte sie mit heiserer Stimme.
    »Ich habe sie gerade in meiner Tasche gefunden.«
    »Nun setzen Sie sich erst mal«, forderte Callandra sie auf und streckte die Hand nach der Brosche aus.
    Dankbar ließ Hester sich in den Sessel sinken. Jegliche Kraft schien aus ihren Beinen gewichen zu sein.
    Callandra nahm die Brosche und besah sie sich von allen Seiten, prüfte die Perlen und den Feingehaltsstempel auf der Rückseite.
    »Die ist ’ne ganze Menge wert«, sagte sie mit leiser, sehr ernster Stimme. »Mindestens neunzig bis hundert Pfund.« Sie runzelte die Stirn. »Ich nehme an, Sie haben keine Ahnung, wie die Brosche in Ihre Tasche gekommen ist?«
    »Nein, nicht die entfernteste. Mrs. Farraline hat sie nicht mitgenommen, weil das Kleid, zu dem sie paßt, einen Fleck hat.«
    »Offensichtlich hat ihr Hausmädchen nicht richtig zugehört.« Callandra biß sich auf die Lippe. »Und sie ist wohl auch nicht… alles andere als ehrlich. So etwas passiert nicht aus Versehen. Irgend etwas stimmt hier nicht, Hester, aber ich kann mir keinen Reim darauf machen. Wir brauchen Hilfe. Ich schlage vor, daß Sie William…«
    Hester erstarrte.
    »… um Rat bitten«, beendete Callandra den Satz, »Das ist eine Sache, mit der wir nicht alleine fertig werden, und es wäre auch nicht klug, es zu versuchen. Meine Liebe, an der Geschichte ist etwas faul. Die arme Frau ist tot. Vielleicht ist es nur ein unglücklicher Zufall, daß ihr Schmuck bei Ihren Sachen gelandet ist, aber ich kann es mir beim besten Willen nicht vorstellen!«
    »Und Sie meinen…?« Die Vorstellung, Monk um Hilfe bitten zu müssen, war Hester ein Greuel. Es erschien ihr völlig sinnlos, und im Moment war sie viel zu müde und zu durcheinander, um sich dem gefühlsgeladenen Wortgefecht gewachsen zu fühlen, das Monk mit Sicherheit vom Zaun brechen würde.
    »Ja, das meine ich«, gab Callandra nicht nach. »Sonst hätte ich es Ihnen nicht vorgeschlagen. Ich will Ihnen meinen Willen nicht aufzwingen, aber ich möchte Sie eindringlich bitten, sich Rat zu holen, und zwar so schnell wie möglich.«
    Einen Augenblick lang dachte Hester angestrengt nach, suchte nach einem triftigen Grund, nicht zu Monk gehen zu

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