Dunkler Grund
Jahren, und die wird immer noch größer. Und dann ham se das feine Haus oben inner Neustadt. O ja, und ob’s da um einen Batzen Geld geht, Mr. Monk. Da kann man schon für kämpfen, würd’ ich mal sagen. Und der alten Dame hat noch ’ne schöne Stange davon gehört, sagt man, obwohl der alte Oberst Farraline ja auch schon acht Jahre tot is’ oder zehn.«
Monk überlegte kurz und wählte das Risiko. »Mrs. Farraline wurde ermordet. Das ist der Fall, mit dem ich befaßt bin.«
Sie sah ihn entgeistert an. »Was Se nich’ sagen! Ermordet? Da bin ich baff! Die arme Seele! Aber wer, um Gottes willen, würde so was tun?«
»Nun, es besteht begründeter Verdacht, daß die Krankenschwester, die sie im Zug nach London begleitet hat…« Es fiel ihm schwer, es auszusprechen, selbst auf diese unverbindliche Weise und ohne Hesters Namen zu nennen. Es erschien ihm wie ein Eingeständnis, daß es so gewesen sein könnte.
»Ach. Was für eine schändliche Tat! Und warum?«
»Wegen einer Brosche«, sagte er zwischen den Zähnen, »die sie dann schnell zurückgeben wollte. Sie will sie in ihrer Reisetasche gefunden haben, behauptet sie.«
»Ach ja?« Mrs. Forsters Augenbrauen hoben sich in vorsichtiger Skepsis. »Und was soll so eine mit ’ner Brosche anfangen, wie Mrs. Farraline sie trägt? Wir wissen doch, wie se sind, diese Krankenschwestern! Versoffen, schmutzig und nich’ besser als ihr Ruf, jedenfalls die meisten. Ach, wie schrecklich! Die arme Seele!«
Monk spürte ein Brennen im Gesicht, seine Kiefer spannten sich, als wollten sie die Worte zwischen den Zähnen zermahlen.
»Sie war eine von den jungen Damen, die unsere Soldaten auf der Krim versorgt haben – hat bei Miss Nightingale Dienst getan.« Seine Stimme klang rauh und drohte ihm trotz aller Vorsätze zu versagen.
Mrs. Forster war verblüfft. Sie sah Monk an, versuchte in seinem Gesicht zu lesen, ob es tatsächlich stimmte. Bereits der erste Blick überzeugte sie davon.
»Da bin ich aber baff«, sagte sie wieder. Sie holte tief Luft, mit großen, sorgenvollen Augen. »Vielleicht isses ja doch nich’ gewesen. Ham Se da schon mal drüber nachgedacht?«
»Ja«, sagte er und lächelte grimmig. »Hab’ ich.« Sie erwiderte nichts, blickte ihn nur abwartend an.
»In dem Fall müßte es jemand anders gewesen sein«, zog er für sie die Schlußfolgerung. »Und es wäre höchst interessant herauszufinden, wer.«
»Und ob«, stimmte sie ihm zu und zuckte mit den gewaltigen Schultern. »Aber darum beneid’ ich Se nich’. Ne verdammt mächtige Familie, die Farralines. Er ist der Prokurator, müssen Se wissen.«
»Und die anderen, was sind das für Leute?« Es erschien ihm ganz natürlich, diese Frage zu stellen, und ihre Meinung mochte von Interesse sein.
»Ach Gott, ich weiß natürlich nich’ mehr, als was die Leute so reden! Aber die Druckerei, die leitet jetzt McIvor, das is’ Miss Oonaghs Mann, aber der is’ kein Schotte, der kommt irgendwo aus’m Süden, aus England. Soll aber’n ganz anständiger Kerl sein. Nix gegen ihn zu sagen.«
»Außer, daß er Engländer ist?«
»Richtig. Und dafür kann er ja nix. Und dann gibt’s da noch diesen Mr. Fyffe. Soll aus Stirling sein, hab’ ich gehört. Oder vielleicht auch Dundee, jedenfalls von weiter nördlich als hier. Muß ’n verdammt kluger Bursche sein.«
»Aber nicht besonders beliebt.« Monk sprach aus, was sie verschwieg.
»Na ja…« Sie wollte es nicht gern in Worte kleiden, aber ihr Gesicht stimmte ihm zu.
»Er ist sicher der Ehemann von Miss Eilish«, soufflierte er ihr.
»Richtig. Muß ja ’ne umwerfende Schönheit sein, was man so hört. Mit eigenen Augen hab’ ich se ja noch nich’ gesehn, aber man sagt, sie ist das hübscheste Ding, das jemals in Edinburgh rumgelaufen is’.«
»Und sonst?«
»Wie, und sonst?«
»Was erzählt man sich noch über sie?«
»Wie, was noch? Is’ das nich’ genug?«
Er lächelte gegen seine Absicht, weil er sich vorstellen mußte, was Hester zu solch einer Beschreibung gesagt hätte.
»Was ist sie für eine Frau? Was tut sie, was denkt sie?«
»Na, das weiß ich nu’ aber wirklich nich’.«
»Und Mrs. Farraline selber?«
»Eine feine Dame, sagt man. Muß sie wohl schon immer gewesen sein. Oberst Farraline war ein richtiger Gentleman, immer großzügig mit sei’m Geld, und sie war wohl auch so. Immer ham se was für die Stadt gespendet. Aber der arme Major Farraline das is’ der jüngere Bruder, der is’ wohl ein bißchen ausser Art
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