Dunkler Grund
sehr interessiert, auch wenn sie’s für ziemlich verrückt hielt. Für sie war es eine wunderbare Verrücktheit.«
»Und Ihr Mann?«
»Alastair?« fragte sie erschrocken. »Um Himmels willen, nein! Nein!« Sie trat auf ihn zu, die Angst grub tiefe Falten in ihr Gesicht. »Bitte, Sie dürfen ihm nichts erzählen! Er würde es nicht verstehen. Er ist ein guter Mann, in vielerlei Hinsicht, aber er hat keine Phantasie, keinen Sinn für… für…«
»Humor?« fragte er.
Kurz flackerte Zorn in ihrem Blick auf, doch gleich wurde daraus sanfte Belustigung.
»Nein, Mr. Monk, für Humor auch nicht. Und Sie werden lachen, aber eines Tages wird es fliegen. Auch wenn Sie es jetzt noch nicht verstehen, der Tag wird kommen.«
»Ich habe Verständnis für Begeisterung«, sagte er mit einem schrägen Lächeln. »Auch für Obsessionen. Ich habe großes Verständnis für den Wunsch, etwas so Gewaltiges zu tun, daß man ihm alles andere opfert.«
Der Mann trat einen Schritt nach vorn, den Schraubenschlüssel fest in der Hand, aber im Moment schien Monk keine Gefahr für Deirdra zu sein, deshalb verhielt er sich still.
»Ich schwöre, daß ich Mary nichts getan habe, Mr. Monk, und ich weiß auch nicht, wer es war.« Deirdra holte tief Luft und stieß sie in einem Seufzer wieder aus. »Was werden Sie jetzt tun?«
»Nichts«, erwiderte Monk, erstaunt über seine eigene Antwort. Er hatte es gesagt, ohne seine Worte abzuwägen; es war eine instinktive, vom Gefühl bestimmte Antwort. »Wenn Sie mir helfen, den wirklichen Mörder von Mrs. Farraline zu finden.«
Sie sah ihn mit einem Blick an, der eher ein dämmerndes Begreifen als zornige Verwunderung auszudrücken schien.
»Sie sind nicht im Auftrag der Staatsanwaltschaft hier stimmt’s?«
»Nein. Ich kenne Hester Latterly schon sehr lange, und niemand wird mich je davon überzeugen können, daß sie eine Patientin vergiftet hat. Sie könnte vielleicht jemanden in rasender Wut töten oder um sich selbst zu verteidigen, aber niemals aus Habgier.«
Die Farbe wich aus ihrem Gesicht, der Blick verfinsterte sich.
»Ich verstehe. Das heißt also, daß es… jemand von uns gewesen sein muß?«
»Ja.«
»Und ich soll Ihnen helfen herauszufinden, wer es war?«
Er zögerte, wollte ihr sagen, daß es der Preis für sein Schweigen sei, hielt es jedoch für klüger, es nicht zu tun. Sie hatte es ohnehin längst begriffen.
»Möchten Sie es nicht auch wissen?« fragte er statt dessen. Sie zögerte nur einen kurzen Augenblick.
»Doch.«
Er streckte ihr seine Hand hin, und sie drückte sie in stillschweigendem Einvernehmen.
7
Frierend und müde ging Monk zurück zu seiner Unterkunft. Er sah sich in einem Dilemma. Er hatte Oonagh versprochen, es ihr zu sagen, wenn er wußte, wofür Deirdra ihr Geld, genauer gesagt, Alastairs Geld ausgab. Jetzt wußte er es, aber alles in ihm sperrte sich dagegen, sie zu verraten, besonders nicht an Oonagh.
Natürlich war es ein verrücktes Unterfangen, dem jeglicher Bezug zur Realität fehlte, aber es war auch grandios in seiner Verrücktheit, und sie schadete niemandem damit. Und das viele Geld? Die Farralines hatten Geld wie Heu – immer noch besser, es für ein Hirngespinst wie eine Flugmaschine auszugeben, als es zu verspielen, mit einem Liebhaber zu verprassen oder sich in Samt und Seide zu kleiden, nur um schöner und reicher auszusehen als alle anderen. Natürlich sollte sie damit weitermachen.
Beschwingten Schrittes und erhobenen Hauptes setzte er seinen Weg fort, und beinahe wäre er in seinem Hochgefühl am Haus des Gastwirts William Forster vorbeigegangen.
Am nächsten Morgen wurde ihm jedoch klar, daß er es versäumt hatte, mehr herauszuholen. Er hätte sie nach den Geschäftsbüchern der Firma fragen sollen, um zu sehen, ob Hectors Behauptungen wirklich jeder Grundlage entbehrten. Und was sollte er Oonagh sagen? Sie würde die Sache nicht einfach auf sich beruhen lassen. Um ihr aus dem Weg zu gehen, hätte er seinen Fuß nicht mehr in das Farraline-Haus setzen dürfen, und das war unmöglich. Die einzige Möglichkeit, Hester wirklich zu helfen, etwas zu ihrer Verteidigung zu finden, war dort!
In erster Linie mußte er mit Hector Farraline sprechen, mußte ihn dazu bringen, die dunklen und sehr vagen Anschuldigungen zu erläutern, die er im Zusammenhang mit den Geschäftsbüchern gemacht hatte. Sollten sie tatsächlich gefälscht worden sein, dann könnte hier ein Mordmotiv liegen, wenn Mary davon wußte oder darüber informiert
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