Dunkler Rausch der Sinne
Information wie den genauen Standpunkt ihres
Ruheplatzes anvertrauen.
Lucian spürte eine schwache Witterung von Macht in dem Berg nördlich
seiner Position auf. Es war ein Hinweis auf eines der weniger mächtigen Wesen.
Keiner vom alten Stamm würde einen derartigen Fehler begehen. Lucian weitete
seine Suche aus. Eine leichte Unruhe unter den Fledermäusen verriet den zweiten
Vampir. Er benutzte eine Höhle hoch oben an der Südspitze des Berges. Lucian
wandte seine Aufmerksamkeit dem Westen und Osten zu.
Jaxon nahm von alldem nichts wahr, bis plötzlich etwas Dunkles,
Öliges, Schweres und doch Körperloses durch die Erdschichten zu ihr fand. Es
drang durch ihre Poren und erfüllte ihr Inneres, bewegte sich durch ihren Körper
und nahm Besitz von ihrem Herzen, indem es wie eine Hand fest zudrückte. Ein
Herzschlag. Eine Sekunde. Jaxon wachte schweißgebadet auf, mitten in der
schweren Erde. Sie konnte jeden Zoll, jeden Fuß Erde spüren und wusste genau,
wie tief sie begraben lag.
Lucian wusste sofort, wann Jaxon wach wurde. Er war ehrlich erstaunt
über ihr eingebautes Radarsystem, über die Intensität ihrer Bindung, die ihr
erlaubte, seinen Befehl, weiterzuschlafen, außer Kraft zu setzen. Zugegeben, er
hatte nicht seine ganze Macht eingesetzt, denn Jaxon war nicht seine Marionette
und würde es auch nie sein. Erwartete ihre Reaktion ab, wie ein stummer
Schatten in ihrem Geist. Falls nötig, konnte er sofort bei ihr sein.
Der erste Schlag ihres Herzens dröhnte wie Donner in ihren Ohren. Ihre
Kehle war wie zugeschnürt. Es gab keine Luft zum Atmen; sie war lebendig
begraben. Instinktiv hob sie die Hände, um zu versuchen, sich aus ihrem Grab
zu buddeln. In ihrem
Kopf herrschte ein einziges
Chaos aus Schreien und Panik und Angst. Aber die schwere, ölige Dunkelheit, die
in ihre Seele drang, war stärker als alles andere, überwand sogar ihre Panik.
Irgendetwas war da draußen, etwas Böses und Unheimliches und es lauerte auf... Lucian!
Ihr Herz blieb einen Moment lang stehen, fing aber gleich wieder an zu
schlagen. Es war heiß unter der Erde, aber ihr Verstand war plötzlich ruhig
und beherrscht und in der Lage, gezielt zu arbeiten. Es gab eine Möglichkeit,
diese Erdschichten zu bewegen. Lucian hatte es gemacht, als sie zum ersten Mal
festgestellt hatte, dass sie unter der Erde schliefen. Was konnte sie tun ?
Zuerst einmal musste sie in aller Ruhe nachdenken, auch wenn es ungeheure
Disziplin erforderte, die Vorstellung zu verdrängen, dass sie unter all den
Erdschichten, die auf ihr lasteten, keine Luft bekam und ersticken musste.
Sie ließ im Geist präzise und bis ins kleinste Detail das Bild
erstehen, wie sich das Erdreich bis zur Oberfläche öffnete, weit genug, dass
sie herauskonnte. Zu ihrer Überraschung und unbeschreiblichen Erleichterung teilte
sich über ihr die Erde und gab den Blick auf die hohe Decke der Höhle frei.
Jaxon, die immer noch ein wenig unter Schock stand, holte in tiefen Zügen Luft
und stand auf, um der Enge zu entkommen. Wieder war sie trotz Lucians Befehl,
zu schlafen, aufgewacht. Was war stark genug gewesen, sie aus dem Schlaf zu
reißen?
Getragen von einem Gefühl
reiner Schwerelosigkeit schwebte Jaxon in den Höhlenraum empor und lief dann
den engen Gang hinunter. Es konnte nur einen Grund geben, warum sie wach
geworden war. Irgendetwas war auf Lucian fixiert und bedrohte ihn in
irgendeiner Form. Sie spürte die abgrundtiefe Schlechtigkeit, spürte das Böse,
das mit unsichtbaren Händen zum Schlag ausholte. Lucian, du Stinktier!
Soviel zum Thema, gemeinsam auf die Jagd zu gehen. Du hast wohl gedacht, du
könntest dich allein um dieses Problem kümmern, während ich schlafe, was? Du
Mistkerl! Du bist in großer Gefahr. Der Gang verzweigte sich in alle Richtungen. Der
Versuch, sich daran zu erinnern, welche Abzweigung wohin führte, war
frustrierend.
In großer Gefahr? Ich glaube nicht,
dass ich sie als groß bezeichnen würde, meine Geliebte. Kein Funken Reue
schwang in seiner Stimme mit, eher leiser Spott.
Jaxon knirschte mit den Zähnen und war entschlossener denn je, aus
diesem Labyrinth herauszufinden und ihm zu helfen. Sie schloss die Augen und
konzentrierte sich geistig völlig auf Lucian, auf seinen Geruch, seine
Körperwärme, auf die Kraft, die er ausstrahlte.
Das Ausmaß an Information, das sie im selben Augenblick überschwemmte,
erstaunte sie. Sie wusste sofort, welcher Weg hinausführte, wo Lucian sich
befand und was er tat. Sie spürte, dass er den
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