Dunkler Rausch der Sinne
Browning, und beobachtete die geschmeidige, fließende Art von
Lucians Gang. Er bewegte sich mit absolutem Selbstvertrauen, mit hoch erhobenem
Kopf. Sein Anblick nahm ihr den Atem. Während sie hinsah, hob er fast beiläufig
eine Hand, und die schwarzen Wolken über ihm verschwanden, als wären sie nie da
gewesen. Etwas fiel auf den Boden, ein zuckender, sich windender, reptilartiger
Körper mit Flügeln.
»O
Gott«, flüsterte Jaxon entsetzt.
Der fremde Mann hatte Lucian beinahe erreicht und schwang eine schwere,
mit Stacheln besetzte Kugel an einer Kette. Die Kugel pfiff harmlos durch die
Luft, als Lucian für den Bruchteil einer Sekunde aus Jaxons Blickfeld
verschwand. Als er wieder auftauchte, befand er sich hinter dem riesigen
Fremden. Wie gelähmt vor Grauen beobachtete sie, wie der Kopf des Scheusals
zur Seite sackte, als sich plötzlich ein scharlachroter Streifen wie ein
Halsband um seine Kehle zog. Der Kopf schwankte grotesk hin und her und
rutschte schließlich langsam und in alle Richtungen Blut spritzend von den
Schultern. Der Körper kippte vornüber und schlug hart auf dem Boden auf,
während der Kopf davonrollte.
Das Reptil sprang Lucian so unvermittelt an, dass nur ein
verschwommenes Bild von Zähnen und Klauen zu sehen war. Das Schwanzende
schnalzte vor und zurück wie eine Peitsche, und die schlagenden Flügel
erzeugten einen Sturm, der Blätter und Erde wie Rauch aufwirbelte. Jaxons
Warnschrei blieb ihr in der Kehle stecken und erstickte sie beinahe. Lucian
schien völlig regungslos dazustehen, mit unbewegter, ruhiger, ja fast heiterer
Miene, als würde er einfach die Aussicht bewundern. Jaxon legte ihren Revolver
auf das abstoßende Untier an, doch es schien an eine unsichtbare Wand zu
prallen, ehe es bei Lucian war, und stieß einen schrillen Schrei aus, als
ringsum Flammen aufloderten. Verbranntes Fleisch löste sich in Schichten von
dem Reptil, und das Skelett zerbarst. Jaxon traute ihren Augen nicht, als ein
Mann aus dem abgelösten Fleisch wie aus einem Kokon hervortrat.
Der Vampir wich rückwärts vor Lucian zurück und ließ dabei Äste und
Steine durch die Luft fliegen, die direkt auf Lucian zielten. Der schwebte
plötzlich über dem Boden und wechselte mit unvorstellbarer Geschwindigkeit von
Regungslosigkeit auf Angriff. Jaxon hatte den Eindruck, ein gnadenloses
Raubtier zu beobachten, eine Tötungsmaschine, eine Dschungelkatze mit
geschmeidigen Muskeln, die ihre Beute reißt. So schnell sich der Vampir auch
zurückzog und dabei immer mehr Hindernisse in den Weg warf, Lucian war
schneller. Nicht eines der Geschosse traf ihn. Alle wurden durch seine
Willenskraft mühelos abgelenkt, während er den Untoten einholte.
Bei der Erkenntnis, dass es kein Entkommen gab, wandte der Vampir den
Kopf und starrte Jaxon an. Seine Augen schillerten vor Hass, und auf seinem
Gesicht spiegelten sich Bosheit und Grausamkeit. Das Glas der Balkontür fing
an, sich nach innen zu wölben, obwohl Lucian bereits seine Hand in die Brust
des Wesens steckte und das pulsierende Herz herauszog. Jaxon wich ein Stück von
der Tür zurück, ohne den Blick von der Szene im Hof zu wenden.
Lucian ließ das Herz ein Stück von dem zuckenden Körper entfernt auf
den Boden fallen und blickte zum Himmel hinauf. Sofort zogen Wolken über ihm
auf, immer mehr und mehr. Gebannt beobachtete Jaxon, wie er das Unwetter
dirigierte. Blitze zuckten in strahlendem Glanz von Wolke zu Wolke. Lucian öffnete
die Hand, die das Herz gehalten hatte, und ein Feuerball fiel vom Himmel in
seine Handfläche. Einen Moment lang tanzten die orangeroten Flammen auf seiner
Haut und spiegelten sich in seinen schwarzen Augen, dann warf er den Ball auf
das Herz und ließ mit einer einzigen Handbewegung die Flammen hell auflodern.
Giftiger schwarzer Rauch stieg auf. In den Schwaden konnte Jaxon Bilder
von Tod und Dunkelheit, von gewalttätigen, missgestalteten Kreaturen erkennen,
die zischend und kreischend ihre Stimmen gen Himmel erhoben. Langsam lösten sie
sich im Rauch auf und wurden vom Wind davongetragen. Feuer raste über den
Boden, jagte von einem Körper zum nächsten und verbrannte die beiden Geschöpfe
für alle Zeiten zu Staub und Asche, löschte alle Spuren ihrer Existenz aus, als
hätte es sie nie gegeben.
Jaxon sah, wie sich das Glas in der Tür wieder in seine frühere Form
zurechtbog. Regen peitschte an die Fenster des Hauses, und unten im Hof hob
Lucian den Kopf und schaute zu ihr. Ihr Herz klopfte unruhig. Sie wusste
sofort, dass
Weitere Kostenlose Bücher