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Dunkler Schlaf: Roman (German Edition)

Dunkler Schlaf: Roman (German Edition)

Titel: Dunkler Schlaf: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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Verlegenheit, und ich konnte ihm nicht helfen. Das war nicht meine Aufgabe. Henry hätte mir helfen sollen. Das hatte der Arzt gesagt, lassen Sie sich von Ihrem Mann helfen. Aber das hat er nicht geschafft. Es ist leichter, allein zu leben. Und ihm bleibt erspart, was jetzt passiert, das ist eine schöne Vorstellung. Mein Sohn Ingemar erwähnt ihn nie. Ich sage, daß er nicht darüber reden soll, er soll einfach versuchen zu verstehen. Er liebt mich nicht, das ist mir klar. Er haßt mich auch nicht, das habe ich nie geglaubt, aber das einzige Leben, das er kennt, habe ich ihm einfach so übergestülpt. Außerdem ist er ein ordentlicher Mensch. Arbeitet bei der Preisdirektion. Er hat keine Schulden, und er trinkt nicht. Ich habe keine genaue Vorstellung von seiner Arbeit, vielleicht setzt er die Preise aller Waren fest. Alle jammern über die Preise, und alle verdienen zu wenig. Streiken wir, schreien sie, wir lassen uns das nicht länger gefallen! Wir werden übergangen, niemand weiß unsere Arbeit zu schätzen, die anderen bekommen mehr, wieso also nicht wir? Niemand wird mehr erwachsen. Überall sehe ich quengelnde Gören. Runi, zum Beispiel, quengelt sehr viel.
    Ein seltenes Mal wünsche ich mir Besuch von Ingemar, würde gern mit ihm in die Stadt schlendern. Arm in Arm. Irma Funder geht mit ihrem erwachsenen Sohn durch die Straßen. Er ist nicht groß und elegant, aber er sieht doch recht gut aus. Das volle Gesicht hat er von mir, und es steht ihm gut. Er ist sehr ernst. Einer, der sich alles genau überlegt. Er verfolgt zwar keine großen Ziele, aber er tut seine Pflicht, und er beklagt sich nicht. Mit Ingemar durch die Stadt. Wir gehen ins Café. Er bezahlt, er trägt das Tablett zum Tisch. Schiebt mir den Stuhl zurecht. Aber er kommt nicht. Er war schon lange nicht mehr hier. Und wenn ich so einen Spaziergang in die Stadt vorschlüge, dann würde er mich verwundert anschauen. Aber im Moment ist es mir ja nur recht, daß er sich nicht blicken läßt.
    Das Haus ist alt. Henry sagte, es sei auf Lehm gebaut. Und es sei nur eine Frage der Zeit oder des Regens, bis der Grund sich auflösen und ins Rutschen kommen würde. Bis es unbehindert den Abhang hinunterrasen und mit Nr. 15 zusammenstoßen würde. Er hatte immer solche Angst, dieser Henry. Ich liebe das Haus. Ich kenne sämtliche Zimmer, den Inhalt jeder Schublade. Die Treppenstufen, wenn ich zur Arbeit gehe. Ging. Alles gehört mir, und alles ist alt und vertraut, und nichts verändert sich. Einmal hat Ingemar hier am Tisch gesessen, das ist jetzt lange her, er hatte sich in den Kopf gesetzt, das Haus neu anzustreichen. Rot, sagte er. Jetzt ist es weiß, mit grünen Fensterrahmen. Ich hätte mich beim Öffnen des Tores jedesmal so gefürchtet. Daß vor mir etwas Rotes, Großes aufragen könnte. Vor mir stehen und schreien. Ich schildere Ihnen diese zusammenhanglosen Gedanken. Sie sollen sehen, daß ich klar im Kopf bin, daß ich mich an alles mögliche erinnere, daß ich nicht verrückt bin. Natürlich werden die Leute mich verurteilen. Aber lieber bin ich meine eigene Richterin. Es gibt keine Entschuldigung. Und ich will mich ja auch gar nicht entschuldigen. Aber es gibt eine Erklärung. Andreas war ein Junge, weiter nichts. Ich habe ihm den Tod nicht gewünscht. Was sage ich da? Natürlich habe ich ihm den Tod gewünscht in dieser einen bösen Sekunde. Da dachte ich: Jetzt bringe ich ihn um, das muß einfach sein! War ich dabei ganz allein? In dem grausamen Augenblick, als ich ihn zerstörte? Ich erinnere mich an ein seltsames Licht im Zimmer. Woher das wohl gekommen ist? Haben Sie so etwas schon einmal gesehen?
     
    Die Frau jammerte und klagte. Sie registrierte nichts mehr, weder daß sie eigentlich fror, noch daß das Kind vielleicht frieren würde, wenn sie es noch länger auf dem Arm behielt. Es gab nur sie und das kleine Bündel mit dem nassen Mund. Und das, was ihr willkommener war als alles andere: sein Weinen. Ein dünnes Blöken. Beim bloßen Zuhören rang sie schon nach Luft, es atmete nämlich nicht. Sie schüttelte es, ging einige Schritte, und endlich füllte seine Lunge sich mit Luft. Und damit fing alles von vorn an.
    Sie stakste zwischen den Steinen hin und her, bis das Kind sich beruhigt hatte. Nahm ihm vorsichtig die Mütze ab. Entdeckte eine Schramme auf dem kahlen Schädel. Mit der einen Hand preßte sie das Kind gegen ihr Brust, so fest sie es nur wagte, mit der anderen schob sie mühsam den Wagen den steilen Hang hinauf. Sie rutschte

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